News13. Januar 2024

Studien zum Filmjahr 2023: Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert

Studien zum Filmjahr 2023: Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert
© Warner Brothers Switzerland

Frauen in wichtigen Positionen, als Präsidentin, Polizeichefin – oder als Regisseurin? Die Welt von «Barbie» bleibt vorerst ein ferner Traum. Zwei amerikanische Studien über Gender und Ethnien der Filmschaffenden analysieren das Filmjahr 2023 und zeigen, dass der Weg zur Gerechtigkeit noch weit ist.

Die Studie «The Celluloid Ceiling» von Dr. Martha M. Lauzen der San Diego State University beginnt, wie sollte es anders sein, mit «Barbie». Der Film beherrschte nicht nur in seinem Boxoffice-Kampf gegen «Oppenheimer» die Schlagzeilen und beschäftigte sich inhaltlich mit feministischen Themen, sondern auch die Regisseurin Greta Gerwig machte mit den höchsten Einspielergebnissen eines weiblich geführten Films aller Zeiten von sich reden. Das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Filmbranche können wir also abhaken? Leider ganz im Gegenteil!

Heldinnen vor der Kamera – aber wie sieht es dahinter aus? Szene aus Nia DaCostas «The Marvels» © Disney Schweiz

Weniger als ein Viertel Frauen in den wichtigsten Filmjobs

2023 waren in den 250 finanziell erfolgreichsten Filmen lediglich 22 Prozent der Jobs in Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt und Kamera von Frauen besetzt. Im Jahr 2022 waren es noch 24 Prozent. Dreht man diese Zahlen um, wird das Bild noch deutlicher: In 83 Prozent der Filme führten Männer Regie, in 94 Prozent der Fälle führte ein Mann die Kamera.

In den einzelnen Sparten gibt es dabei mitunter grosse Unterschiede. Die besten, wenn auch fernab von fairen, Chancen haben Frauen in der Filmproduktion. Bei den 250 erfolgreichsten Filmen hatten 26 Prozent Produzentinnen und 24 Prozent ausführende Produzentinnen. Im Bereich Schnitt arbeiteten 21 Prozent Frauen und Drehbücher wurden zu 17 Prozent von Frauen geschrieben. Greta Gerwig und ihre Regie-Kolleginnen waren lediglich an 16 Prozent der Filme beteiligt und besonders traurig sieht es im Bereich Kamera aus – hier waren nur 7 Prozent weiblich besetzt.

Männer arbeiten am liebsten mit Männern

Es ist wenig überraschend, aber trotzdem schockierend: Frauen mit Schlüsselrollen im Filmgeschäft sind nicht nur selten anzutreffen – die Männer bleiben auch oftmals in allen diesen Bereichen unter sich. In 72 Prozent der 250 erfolgreichsten Filme 2023 waren gerade einmal 0-4 Frauen in den Bereichen Regie, Drehbuch, Produktion, Schnitt und Kamera anzutreffen. In mickrigen 4 Prozent der Filme arbeiteten 10 oder mehr Frauen innerhalb einer Produktion. Hingegen arbeiteten in 75 Prozent der Filme 10 oder mehr Männer in Schlüsselrollen.

Auffällig ist, dass die Anzahl der Frauen innerhalb einer Filmproduktion deutlich höher war, wenn eine Frau die Regie führte. Bei einer Regisseurin im Team stieg die Anzahl der beteiligten Drehbuchautorinnen auf 61 Prozent, 35 Prozent Cutterinnen und 10 Prozent Kamerafrauen. In Filmen mit männlichen Regisseuren hingegen waren durchweg alle Schlüsselrollen noch seltener als im Gesamtdurchschnitt mit Frauen besetzt.

Männer, die sich mit ihresgleichen umgeben? Szene aus «Barbie» © Warner Brothers Switzerland

Gerechtigkeit auf dem Rückzug?

Doch wie hat sich die Geschlechtergerechtigkeit im Filmgeschäft entwickelt? Wird «Barbie» eine Zeitenwende auslösen? In der «Celluloid Ceiling» Studie werden dazu die 250 erfolgreichsten Filmen zwischen 2015 und 2023 verglichen – doch allzu viel hat sich in den vergangenen acht Jahren leider nicht getan. Ein minimaler Anstieg ist von 19 auf 22 Prozent von Frauen in den Schlüsselrollen ist zwar sichtbar, aber im Jahr 2021 lief es mit 25 Prozent weiblicher Beteiligung deutlich besser.

Die Studie «Inclusion in the Director’s Chair» von Dr. Stacy L. Smith und Dr. Katherine Pieper von der USC Annenberg Inclusion Initiative hat die 1700 finanziell erfolgreichsten Filme zwischen 2007 und 2023 untersucht und kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Zwar ist seit 2018 der Anteil der Regisseurinnen der 100 erfolgreichsten Filme angestiegen, scheint aber seither auf einem ähnlichen Niveau zu stagnieren.

Wer darf Filme machen?

In den insgesamt 17 Jahren, die die Studie untersucht, haben gerade einmal in 6 Prozent der Filme Frauen die Regie übernommen. Von den 899 Regisseur:innen, die in dieser Zeit einen Film zu den 100 erfolgreichsten Filmen beisteuern konnten, waren 83 Frauen. Ihnen steht eine Übermacht von 816 Männern entgegen, die auch individuell deutlich mehr Filme machen konnten.

Zwischen 2007 und 2023 waren bei den Frauen Anne Fletcher («Step Up», «27 Dresses») und Lana Wachowski («Matrix», «Cloud Atlas») mit jeweils vier veröffentlichten Filmen am produktivsten. Greta Gerwig folgt mit drei Filmen, während Regisseurinnen wie beispielsweise Elizabeth Banks, Ava DuVernay oder Patty Jenkins auf zwei Filme kamen. 78,3 Prozent der Regisseurinnen produzierten in den 17 Jahren gerade einmal einen Film.

Hingegen machten nur 55,8 Prozent von den 816 Männern zwischen 2007 und 2023 nur einen einzigen Film. Spitzenreiter ist der Regisseur Tyler Perry mit 18 Filmen, gefolgt von Steven Spielberg mit 12 Filmen und Clint Eastwood mit 11 Filmen in 17 Jahren. Der Unterschied im Output ist also gewaltig. Im untersuchten Zeitraum gab es ausserdem kein einziges Jahr, in dem die grössten acht Filmstudios in den USA alle eine Frau als Regisseurin einsetzten.

Männer in der Überzahl. Szene aus «Past Lives» von Celine Song © Filmcoopi

Dominanz der Weissen

Noch erschreckender wird der Blick in die Personalien der Filmproduktion, wenn neben Gender auch Ethnie in den Blick genommen wird. Obwohl auch hier die Anzahl von Regisseur:innen of Color seit 2007 steigt, konnte sie sich von 12,5 Prozent im Jahr 2007 auf gerade einmal 22,4 Prozent in 2023 erhöhen. Auch hier scheint der Prozentsatz seit etwa 2017 auf einem ähnlichen Niveau zu bleiben, mit dem höchsten Anteil Regisseur:innen of Color im Jahr 2021 mit 27,3 Prozent.

Besonders problematisch ist die Lage wiederum für Frauen in dieser Gruppe. Im Jahr 2023 konnten gerade einmal vier nicht-weisse Frauen einen Film in den Top 100 der finanziell erfolgreichsten Filme platzieren: Adele Lim mit «Joy Ride», Celine Song mit «Past Lives», Fawn Veerasunthorn mit «Wish» und Nia DaCosta mit «The Marvels». In den letzten 17 Jahren waren nur 1,4 Prozent der Regisseur:innen der Top 100 Filme Frauen of Color.

Diversität im Filmbusiness – eine Utopie? Szene aus Adele Lims «Joy Ride» © Elite Film

Wo liegt das Problem und was ist die Lösung?

Dass die Filmbranche ein grosses Problem mit Gerechtigkeit hat, ist nach den Ergebnissen der Studie eindeutig. Dabei liegt das Problem nicht darin, dass Frauen oder Filmschaffende of Color schlechtere Filme machen würden. Die Auswertungen in den Studien, die mithilfe der Metacritic-Bewertungen gemacht wurden, zeigen deutlich, dass Filme, die nicht von Männern gemacht wurden, bei der Kritik ebenso gut abschneiden. Filme von Frauen of Color wurden durchschnittlich sogar am besten bewertet.

Bei einem Anteil von ca. 50 Prozent von Frauen und über 40 Prozent Personen of Color in der US-amerikanischen Gesellschaft, liegt der Grund für die geringe Repräsentation dieser Gruppen eindeutig in deren Diskriminierung. Dabei hinkt die Filmbranche im Bereich Kinofilm stark hinter der Repräsentation auf Festivals, im TV-Bereich und im Streaming hinterher. Es ist ein kleiner Lichtblick, dass bei der Programmierung zum Beispiel des Sundance Festivals über 50 Prozent der gezeigten Spielfilme von Frauen kommen. Im Indie-Bereich sieht es demnach um einiges besser aus. Mit 38 Prozent Regisseurinnen im Bereich TV und knapp 27 Prozent Frauen im Regiestuhl bei Netflix-Produktionen gibt es einen deutlichen Unterschied zum Mainstream-Kino.

Abgesehen von mehr öffentlicher Aufmerksamkeit und grösserer Sensibilität beim Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Filmproduktion bedarf es konkreter Förderung und finanzieller Unterstützung von bisher benachteiligten Gruppen. Dabei sollten Förderprogramme vor allem auch jungen Filmschaffenden helfen, ein Portfolio anzulegen, Erfahrungen zu sammeln und sich schliesslich besser ausgerüstet bei grösseren Studios vorzustellen. Veränderung ist aber vor allem in der personellen Struktur der Filmstudios und ihren Richtlinien zur Auswahl von Mitarbeitenden dringend nötig.

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