Kritik4. April 2024

Netflix-Kritik: «Ripley»: Leben wie die Schönen und Reichen

Netflix-Kritik: «Ripley»: Leben wie die Schönen und Reichen
© Philippe Antonello | Netflix

Stilvolles Italien, La Dolce Vita, Mord und Totschlag: Der renommierte Drehbuchautor Steve Zaillian hat Patricia Highsmiths Romane «Der talalentierte Mr. Ripley» zu einer Netflix-Serie adaptiert. Die Serie bietet Spannung, umwerfende Bilder und hervorragende schauspielerische Leistungen – kurz: Unterhaltung vom Feinsten.

von Gaby Tscharner Patao

Tom Ripley (Andrew Scott) ist ein gewiefter Hochstapler im New York der 50er-Jahre und lebt von Scheckbetrügereien. Gerade als seine Machenschaften aufzufliegen drohen, bietet ihm ein Grossunternehmer die Gelegenheit, dessen Sohn, den Lebenskünstler Dickie Greenleaf (Johnny Flynn), in Italien aufzufinden und ihn zur Rückkehr in die USA zu überzeugen. Um mit Dickies überschwänglichem Lebensstil mithalten zu können, muss Ripley jedoch zu schwereren Verbrechen übergehen.

«Der talentierte Mr. Ripley» wurde schon mehrfach verfilmt. Zum Beispiel in den 60er-Jahren von René Clément als «Plain Soleil» mit Alain Delon in der Hauptrolle oder 1999 von Anthony Minghella mit Matt Damon als Ripley. Steve Zaillians Netflix-Miniserie lässt uns nun während acht Folgen tiefer denn je in Ripleys Welt eintauchen, bis wir uns fragen: Wer ist hier eigentlich der Hochstapler? Der hochintelligente Gauner aus armen Verhältnissen, der nie Zugang zu Kunst und den schönen Dingen im Leben hatte, oder der reiche Nichtskönner Dickie, der seine Privilegien nur wenig schätzt und in Italien das Geld seines Vaters verschwendet?

Andrew Scott als Tom Ripley in «Ripley» © 2021 Netflix, Inc.

Tom realisiert bald, wie sehr er Dickie um sein sorgloses Leben beneidet und versucht, dieses nachzuahmen. Als jedoch der Geldfluss des Grossunternehmers ausläuft und auch Dickie ihn loswerden will, setzt Ripley auf drastischere Mittel. «Ich werde oft gefragt, ob ich jemanden wie Ripley kenne», erklärt Hauptdarsteller Andrew Scott in einer Pressekonferenz, an der Cineman teilnehmen konnte. «Für mich geht es weniger darum, Tom Ripley als Psychopathen auszugrenzen als zu erkennen, welche von Toms Eigenschaften auch in uns zu finden sind.» Der irische Schauspieler, der letztes Jahr in «All of Us Strangers» Kritikerlob erntete, sieht Ripley als einen äusserst begabten Mann, der von der Gesellschaft ignoriert wird. «Wenn Leute wie er plötzlich Zugang zu den schönen Dingen des Lebens bekommen, wird ihnen bewusst, wie wütend sie eigentlich sind.»

Der Oscar-Gewinner Steve Zaillian schrieb die Drehbücher für Filmklassiker wie Steven Spielbergs «Schindlers Liste» oder Martin Scorseses «Gangs of New York», was ihn zu einem der renommiertesten Drehbuchautoren Hollywoods macht. Auch für «Ripley» führte er Regie und drehte, ganz im Stil des Film Noir-Genre, ausschliesslich in Schwarz-Weiss. Eine ungewöhnliche Wahl, denn die üppigen Landschaften der Amalfi Küste, die opulenten Palazzi Venedigs oder Caravaggios Gemälde spielen in der Serie eine wesentliche Rolle. Schon nach kurzer Zeit wird klar, dass das Fehlen der Farbe zu einem gewissen Unbehagen beiträgt, das die Spannung nur erhöht. «Ich wollte keine Postkartenversion von Italien präsentieren», erklärt der Regisseur. «Das Buch tut das auch nicht. Es ist düster und unheilverkündend. Hätte Highsmith von der Verfilmung ihres Buches geträumt, hätte sie das bestimmt auch in Schwarz und Weiss getan».

Dakota Fanning, Johnny Flynn, Andrew Scott als Marge Sherwood, Dickie Greenleaf und Tom Ripley in «Ripley» © 2024 Netflix, Inc.

Auf visueller Ebene zieht Zaillian alle Register. Er spielt gekonnt mit Licht und Schatten, jede Einstellung ist komponiert, als wäre sie ein Gemälde eines alten italienischen Meisters wie zum Beispiel von Caravaggio, dessen skandalöses Leben in «Ripley» neben seinen Gemälden ebenfalls eine Rolle spielt. Fünf Jahre lang hat Zaillian an der Serie gearbeitet und diese Sorgfalt ist in jedem Detail erkennbar. Die Besetzung ist grossartig, sowohl in den Haupt- als auch in den Nebenrollen, wie der von Greenleafs Freundin Marge (Dakota Fanning), einer mittelmässigen Reiseschriftstellerin. Marge ist die Einzige, die Ripley von Anfang an misstraut.

Als der italienische Polizei-Inspektor Ravini (Mauricio Lombardi) ins Spiel kommt, wird aus «Ripley» ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, in dem wir uns nie ganz sicher sind, wer die Katz und wer die Maus ist. «Ich sehe Tom Ripley nicht als Bösewicht», sagt Andrew Scott abschliessend. «Er ist sicherlich ein Anti-Held, aber insgeheim hoffen wir doch, dass er unversehrt davonkommt.»

5 von 5 ★

«Ripley» ist seit dem 4. April auf Netflix verfügbar.

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