Artikel17. Juli 2023

Mehr als der Vater der Atombombe: Die wahre Geschichte hinter «Oppenheimer»

Mehr als der Vater der Atombombe: Die wahre Geschichte hinter «Oppenheimer»
© Universal Pictures Switzerland

Pünktlich zum Kinostart von «Oppenheimer» ist es an der Zeit, einen Blick auf eine der Figuren zu werfen, die in Christopher Nolans neuem Film im Mittelpunkt stehen. Wer war der Physiker Oppenheimer?

von Damien Brodard

In seinem zwölften Spielfilm wagt sich Christopher Nolan zum ersten Mal in seiner Karriere an ein Biopic, ein Genre, das das Leben einer historischen Figur nachzeichnet. Der Regisseur von «Inception» (2010) entschied sich für die ungewöhnliche Karriere des Physikers Julius Robert Oppenheimer – der Öffentlichkeit bekannt als «Vater der Atombombe» – und verfilmte dafür die Biografie «American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer» von Kai Bird und Martin J. Sherwin, die 2005 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.

Fasziniert von dem Physiker beschreibt Nolan ihn als «die wichtigste Person, die je gelebt hat, [die] die Welt, in der wir leben, zum Guten wie zum Schlechten geprägt hat». Nachdem er in früheren Filmen des Regisseurs nur in Nebenrollen zu sehen war, ist es nun Cillian Murphy, der diese «komplexe, widersprüchliche und so ikonische» historische Figur verkörpern soll, wie der Schauspieler selbst sagt. Da die Öffentlichkeit bald die Möglichkeit hat, seine Darstellung von Oppenheimer auf der Leinwand zu sehen, fragen wir uns, wer diese wichtige Person wirklich war.

Ein brillanter, aber verschlossener Wissenschaftler

Julius Robert Oppenheimer wurde am 22. April 1904 in New York in eine wohlhabende Familie hineingeboren. Während seines Studiums in Harvard begeisterte er sich für die Chemie und vor allem für die Physik. Da er sich als aussergewöhnlicher Student erwies, gelang es ihm, vier Jahre Studium auf nur drei Jahre zu verkürzen, und er ging nach Deutschland an die Universität Göttingen, eine Hochburg der wissenschaftlichen Forschung zu jener Zeit. Dort wurde er besonders für seine innovativen Überlegungen im Bereich der Quantenphysik, die sich noch in den Kinderschuhen befand, gelobt. Trotz seines beeindruckenden Werdegangs wurde Oppenheimer jedoch als ein sehr kalter und verschlossener junger Mann beschrieben. Sein Psychiater diagnostizierte bei ihm sogar "Dementia praecox", ein Sammelbegriff für psychische Störungen, die damals noch nicht verstanden wurden.

Cillian Murphy in «Oppenheimer» © Universal Pictures Switzerland

Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten wurde Oppenheimer Professor an der Universität von Berkeley und trug mit seinen physikalischen Arbeiten zum Prestige der Einrichtung bei. 1936 lernte er Jean Tatlock kennen (gespielt von Hollywoods aufsteigendem Stern Florence Pugh), mit der er eine lange Affäre hatte. Tatlock war Teil der Kommunistischen Partei und trug zur Entwicklung einer linken Ideologie bei dem Physiker bei, die ihm später zahlreiche Probleme einbrachte.

Im Schatten des Krieges: Das «Manhattan-Projekt» und Los Alamos

Während in Europa der Zweite Weltkrieg kurz vor dem Ausbruch stand, erreichte Präsident Roosevelt am 2. August 1939 ein alarmierender Brief der Wissenschaftler Albert Einstein und Niels Bohr. Darin erklärten sie, dass sich deutsche Wissenschaftler mit dem Phänomen der Uranspaltung – d. h. der Aufspaltung von Atomkernen und der Freisetzung einer grossen Menge an Energie – beschäftigten, um daraus eine schreckliche Waffe zu bauen. Der Präsident der Vereinigten Staaten rief daraufhin das «Manhattan-Projekt» ins Leben, ein wissenschaftliches und militärisches Programm unter der Aufsicht von General Leslie Groves (Matt Damon in Nolans Film), dessen Ziel es war, eine Atombombe zu entwickeln, bevor die Nazis dies tun konnten. Der erst 38-jährige Oppenheimer wird mit der Leitung der Forschungsarbeiten beauftragt und übernimmt ein beeindruckendes Team von Wissenschaftlern aus aller Welt.

Matt Damon und Cillian Murphy in «Oppenheimer» © Universal Pictures Switzerland

Um die Experimente erfolgreich durchführen zu können, schlug Oppenheimer vor, ein Labor fernab der Zivilisation zu bauen, in dem die bedeutendsten Physiker untergebracht werden sollten. Er empfahl eine abgelegene Gegend in den Bergen von New Mexico und liess dort im März 1943 das Dorf Los Alamos errichten, in dem nicht weniger als 3.000 Wissenschaftler untergebracht wurden. Das Dorf Los Alamos wurde übrigens dank der Arbeit der Bühnenbildnerin Ruth De Jong erneut aus dem Nichts aufgebaut.

Während dieser Zeit wurde Oppenheimer vom FBI aufgrund seiner politischen Ansichten, seiner Affäre mit Jean Tatlock und seiner Ehe mit Kitty Harrison (Emily Blunt), die ebenfalls eine Anhängerin linker Ideen war, verdächtigt, mit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten. Der Fall wurde jedoch nicht abgeschlossen. Nach monatelanger Forschung wurde am 16. Juli 1945 im Trinity-Test eine funktionsfähige Bombe getestet. Oppenheimer soll dabei die berühmten Verse aus dem Sanskrit-Gedicht Bhagavad-Gita geäussert haben:

«Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welt.»

Die Bomben mit den Namen Little Boy und Fat Man explodierten am 6. August desselben Jahres in Hiroshima bzw. am 9. August in Nagasaki und führten zur Kapitulation des Japanischen Kaiserreichs und zum Ende des Krieges.

Oppenheimer nach der Bombe

Erschüttert von den entsetzlichen Auswirkungen seiner Schöpfung, begann Oppenheimer nach Kriegsende eine Informationskampagne, um die Bevölkerung über die ernsten Risiken aufzuklären, die Atomwaffen mit sich bringen können. Mehrere seiner Kollegen unterstützen ihn bei diesem Vorhaben. Obwohl seine Arbeit abgeschlossen war, blieb er eine wichtige Figur in der US-amerikanischen Physik, so dass er 1947 zum Vorsitzenden des General Advisory Committee for Atomic Energy ernannt wurde. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges lehnte Oppenheimer insbesondere das Projekt zur Entwicklung der Wasserstoffbombe ab und zog sich erneut den Zorn der Regierung zu, was den Verdacht der Spionage für die UdSSR wieder aufleben liess. 1954 wurde der Physiker aufgrund seiner Äusserungen seines Amtes enthoben und endgültig aus den Nuklearprogrammen ausgeschlossen.

Christopher Nolan und Cillian Murphy bei den Dreharbeiten zu «Oppenheimer» © Universal Pictures Switzerland

J. Robert Oppenheimer behielt jedoch seine Stelle am Institute for Advanced Studies in Princeton. Er starb schliesslich am 18. Februar 1967. Neben seinem Titel «Vater der Atombombe», der ihn weltberühmt machte, war Oppenheimer eine wichtige Figur bei der Entwicklung des Wissens im Bereich der Quantenphysik und war für viele wissenschaftliche Fortschritte verantwortlich, wie z. B. eines der ersten theoretischen Modelle eines Schwarzen Lochs. Sein Werk war eine grosse Inspiration für nachfolgende Generationen amerikanischer Physiker.

Oppenheimer als Filmfigur

Bevor er von Christopher Nolan und Cillian Murphy auf die Leinwand gebannt wurde, hatte dieser atypische Charakter mit dem aussergewöhnlichen Schicksal bereits Film- und Fernsehrollen. In der britischen Serie «Oppenheimer» (1980-1982) wurde der Physiker von Sam Waterston verkörpert, und in Roland Joffés Film «Fat Man and Little Boy» (1989) übernahm Dwight Schultz die Rolle. Die aussergewöhnliche Operation war auch Gegenstand des Dokumentarfilms «The Day After Trinity» (1981), der für einen Oscar nominiert wurde.

Cillian Murphy bei den Dreharbeiten zu «Oppenheimer» © Universal Pictures Switzerland

Bonus: Oppenheimer wird in «Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels» (2008) von Cate Blanchett zitiert, als sie einen der berühmten Knochen präsentiert und dabei Verse aus der Bhagavad-Gita deklamiert. Alles ist miteinander verbunden!

«Oppenheimer» startet am 20. Juli in den Kinos.

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