Interview

Michael G. Wilson: «Bond ist fast nicht tot zu kriegen»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

In «Skyfall» steht 007 am Grab der Eltern, wir haben einen seiner geistigen Väter getroffen: Der Bond-Produzent über dunkle Tage, starke Schweiger und Marc Forster.

Michael G. Wilson: «Bond ist fast nicht tot zu kriegen»

Barbara Broccoli, Michael G. Wilson

Sie müssen der glücklichste Mensch sein auf Erden.

Nun ja, die Kritiken sind grossartig, ich bin entzückt.

Kein böses Wort, buchstäblich nirgends. Überrascht?

Man denkt immer, man habe einen guten Film gedreht und hofft, er gefalle dem Publikum. Bis jetzt sieht es gut aus.

Ich muss gestehen, ich habe Ihren Auftritt verpasst. Wo haben Sie sich versteckt?

(lacht) Ach, mein Cameo ist diesmal so kurz. Ich bin in der Sargszene mit M.

Ihre Stiefschwester Barbara Broccoli will James Bond als Kind für einen Onkel gehalten haben, der nie zu Besuch kam. Wer ist 007 für Sie?

(lacht) Bei meinem ersten Bond war ich 20.

Und seither hat er Ihnen keine ruhige Minute mehr gelassen.

(lacht) Für Leute, die ihn so gut kennen wie ich, wird Bond zu einem Menschen aus Fleisch und Blut. Man glaubt zu wissen, wie er in einer bestimmten Situation reagieren würde.

Eine Ihrer Maximen: Mit jedem Bond muss man «Bond» neu erfinden.

Jeder Schauspieler entdeckt an der Figur neue Facetten und verändert sie. Mit der Zeit schreibt man die Drehbücher für den Schauspieler.

Jede Neubesetzung bietet die Möglichkeit, Bond neu auszurichten.

Nach Moonraker mussten wir Bond auf die Erde zurückholen. Oder nehmen wir Pierce Brosnan: Er war ein guter Bond, aber nach Die Another Day brauchte es einen Schnitt.

Stichwort 9/11.

Genau. Es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an für die Zeit, in der wir lebten.

Viele Bond-Fans tun sich nach wie vor schwer mit Daniel Craig. Haben Sie je an ihm gezweifelt?

Nach Skyfall dürfte es schwierig sein, ihn nicht für den richtigen Bond zu halten.

Wie besorgt waren Sie eigentlich, dass es nach Quantum of Solace keinen Bond mehr geben würde?

Bond ist ein derart starker Brand, der ist fast nicht tot zu kriegen.

Er habe «den Tod genossen», sagt Bond in Skyfall einmal. Auch ein ironischer Kommentar auf Ihre Stimmungslage, als Sie wegen der Probleme von MGM nicht wussten, ob es weiter geht?

(lacht) Ich denke nicht, dass der Film unsere Erfahrungen reflektiert. Wir haben das drohende Ende nicht genossen, diese endlose Warterei. Es war die Hölle.

Skyfall ist wohl der psychologischste Bond aller Zeiten. Wie viel Analyse verträgt ein Bond?

Bond wird verletzt, er fällt in eine Depression. Das grosse Thema in Skyfall ist Bonds Wiederauferstehung.

Auf die Couch setzen würden Sie ihn aber nie.

(lacht) Das würde er auch nie tun.

Oder er würde einfach nichts sagen.

Bond erfüllt das Klischee des starken Schweigers, den man aus den 2. Weltkriegsfilmen kennt. Männer wie Bond machen ihren Job und reden nicht darüber.

Wenn er aber den Mund aufmacht, wird es ein Satz zum Mitschreiben.

(lacht) Zum Glück gibt es gute Drehbuchautoren.

Ist die Schweiz das Bond-Land, für das es sich hält?

Bond ist nirgends populärer als in der Schweiz. Die Schweiz war immer ein Land, in dem Spione sich treffen konnten, auch während der Kriege. Da passt Bond gut rein.

Nach Quantum of Solace schien die Bond-Familie nicht gut auf «unseren» Marc Forster zu sprechen. Weshalb?

Marc hatte das Gefühl, dass er wegen des Streiks der Drehbuchautoren nicht das Script kriegte, das er gerne gehabt hätte. Ich glaube, sein Bond kam einfach nicht so gut an. Uns hat der Film gefallen. Von mir werden Sie nie ein schlechtes Wort über Marc hören.

Was ist nach Skyfall noch möglich?

Alles, wir haben freie Hand. Aber erst müssen wir schauen, wie der Film beim Publikum ankommt.

Wann kommt der erste schwarze Bond? Naomie Harris hat behauptet, Sie hätten sich mit Idris Elba getroffen.

Ein glücklicher Ehemann plant doch nicht seine Scheidung! (lacht) Wir haben noch nicht einmal darüber nachgedacht, Daniel Craig zu ersetzen.

Jetzt hat Bond am Grab seiner Eltern gestanden. Wird als nächstes die Begegnung mit dem unehelichen Sohn fällig, den Ian Fleming in «Man lebt nur zweimal» andeutet?

Wir werden es herausfinden müssen. Wir haben keine Berührungsängste.

Letzte Frage: Welches ist Ihr Lieblingsbond?

Das ist, wie wenn man Männer in Hollywood, die mehrmals verheiratet waren, nach ihrer Lieblingsgattin fragt. Die Antwort lautet immer: die aktuelle. (lacht)

13. November 2012

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