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Zweierlei Mönche: Compétition Suisse 4

Martin Glauser
News: Martin Glauser

Mit welch unterschiedlichen Mitteln unser Land mit dem Stigma der cineastischen Provinz fertig zu werden versucht, könnte man exemplarisch an einer Filmgruppe aus der Compétition Suisse demonstrieren, auch wenn man dabei zwangsläufig spekulativ werden muss: Am Mittwoch wurde Schweiz IV gezeigt, vier Kurzfilme von jungen Autoren, zwei aus der Romandie, einer aus Zürich, einer aus dem Tessin.

Zweierlei Mönche: Compétition Suisse 4

Die Zürcher Beitrag verblüfft zunächst durch die Aufwendigkeit der Produktion, die Üppigkeit der Ausstattung, die technische Professionalität. «Nomina Domini» (Im Namen des Herrn) ist auf den ersten Blick so ziemlich das Gegenteil von allem, was man von einem Abschlussfilm der Hochschule für Gestaltung Zürich erwarten würde. Aber Regisseur Ivan Engler (29) hat mit Leuten zusammengearbeitet, die auch bei «Nacht der Gaukler» und «Exklusiv» mittaten: Die Richtung ist unmissverständlich, diese jungen Deutschschweizer sind fest entschlossen, ihre Filme wie grosses Unterhaltungskino à la hollywoodienne aussehen zu lassen, und wenn das mit den hier üblichen Geldmitteln nicht möglich ist, so machen sie es eben doch möglich, irgendwie. In «Nomina Domini» bewachen exzentrisch ausschauende Mönche mithilfe eines archaischen Computers das Tor zur Hölle – Kostüme wie «Name der Rose», Dekors wie «The Fifth Element», Spezialeffekte wie Industrial Light & Magic, wenigstens beinahe.

Ganz am anderen Ende der Möglichkeiten, mönchisch in einem anderen Sinn, die beiden welschen Beiträge: konsequente Handkamera, Naturlicht, spröder Realismus, äusserste Bescheidenheit der technischen und stilistischen Mittel: «L'arrivé» von Fernand Melgar (39) tut nichts anderes als 10 Minuten lang ein Paar beobachten, das im Flughafen auf die Ankunft ihres zweiten Adoptivkindes wartet. «Tout est bien» von Vincent Pluss (31) tut dasselbe – wenn auch fiktiv – mit einem Paar, das den widerborstigen Bruder zum Geburtstag der alten Mama abzuholen versucht. In beiden Filmen ist die Kamera permanent in Bewegung, klebt den Leuten an den Nackenhaaren, kümmert sich einen Dreck um schlechte Lichtverhältnisse. Der Tessiner Beitrag schliesslich, «Killing Time» von Carlo De Rosa (25), übt sich in der filmischen Kardinalstugend der italienischsprachigen Schweiz, der Sprachlosigkeit. Wortlos erzählt er eine sehr einfache Geschichte auf sehr traditionelle Art und Weise und wackelt dabei nicht einmal mit der Kamera.

Alle vier Beiträge scheitern auf je ihre Weise. Der Zürcher hätte, sofern Abschlussfilme überhaupt benotet werden, sicher eine 6 verdient, und vermutlich ein summa cum laude im Fach Geldbeschaffung. Aber letztlich zeigt sich gerade in der Imitation Hollywoods, wo dessen eigentliche Qualitäten liegen. Die Looks sind nicht alles. Dem Schweizer Imitat fehlt jene Nonchalance, mit der dort auch noch die aufgeregtesten Schreiszenen inszeniert werden, und die Professionalität deutsch sprechender Bühnenschauspieler wirkt vor der Filmkamera oft uncool. Die beiden Filme aus der Romandie sind offenbar noch eher der filmischen Tradition ihrer Sprachregion verbunden, die seit Tanner, Soutter, Goretta mehrheitlich ein gewisses Ethos trotziger Opposition zum verschwenderischen Amerika beibehalten hat, wie denn überhaupt der Wille zur kulturellen Eremitage im frankophonen Raum natürlich grösser ist als bei uns deutsch Sprechenden. Das Problem dieser Filme ist allerdings, dass sie einerseits inhaltlich enorm anspröden, andererseits aber uns auch formal nicht vom Hocker reissen können, denn eine Digitalkamera und ein schlecht ausgeleuchtetes Treppenhaus hat ja inzwischen fast jeder selber zuhause, und wackeln tuts fast von allein. Beim Tessiner Film liegt das Problem in der Narration. In einem hübschen sonnigen Hinterhof kommt es zum schweigsamen Konflikt zwischen einem Rentner und zwei jugendlichen Sauhunden, beide Parteien mit «Zeit totschlagen» beschäftigt, was in einer banalen Wortspiel-Pointe («Zeit, zu töten») endet. Der Regisseur unternimmt nichts, um die Naivetät seiner kleinen Geschichte und die Unwahrscheinlichkeit ihres Fortgangs irgendwie auszubalancieren. Sieht aus wie Schulfernsehen auf TSI. Der cineastische Kleinstaat Schweiz bleibt vorläufig einer.

13. August 2000

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