The Boy And The Heron Japan 2023 – 124min.

Filmkritik

Miyazaki schwingt sich zu neuen Höhen auf

Filmkritik: Eleo Billet

Obwohl es sich bei «The Boy and the Heron» laut Hayao Miyazaki nicht um seinen letzten Film handelt, bekommt man doch das Gefühl einer Abschiedstour – auch, weil der Film immer wieder in einen Dialog mit seinem Vorgänger «Wie der Wind sich hebt» tritt. Es wird sich erst noch zeigen, ob der Film wirklich das Zeug zu einem absoluten Meisterwerk hat – in Sachen Bilder und Geschichte ist der neue Ghibli aber auf jeden Fall ein echter Höhenflug.

Während des zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges verliert Mahito – noch Teenager – bei einem Brand seine geliebte Mutter. Einige Jahre später heiratet sein Vater seine Tante Natsuko und die Familie zieht von Tokio aufs Land. Gleich nach seiner Ankunft wird Mahito von einem geheimnisvollen Graureiher belagert. Er verspricht: Wenn der Junge ihm in den Turm seines Urgrossonkels folgt, kann er ihn wieder mit seiner Mutter vereinen. Es folgt eine gleichermassen fabelhafte und gefährliche Reise zwischen den Welten.

«The Boy and the Heron» beginnt mit einer Sirene – bei dem daran anschliessenden Brand handelt es sich zweifellos um die schönste Sequenz im kompletten Werk des Regisseurs. Das Feuer mit seiner zerstörerischen und zugleich wiederbelebenden Kraft verfolgt uns – und Mahito – durch den ganzen Film. Gerade in der Inszenierung zeigt uns Miyazaki immer wieder neue Tricks: Jede Einstellung zieht das Publikum mehr in die Geschichte hinein und ist majestätischer als die vorherige. Die Musik von Joe Hisaishi, einem häufigen Kollaborateur des Regisseurs, rundet das Ganze ab.

Die präsentierte Welt ist überaus reichhaltig gestaltet. Sie ist von dunklen und komplexen Charakteren bevölkert und steckt voller grotesker und niedlicher Kreaturen. Die Fülle an Details und die unterschiedlichen dabei gezeigten Lebensweisen machen einer einfachen Gut-Böse-Aufteilung immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Es ist eine Welt, in der ein junges Mädchen allzu gefrässige Vögel verbrennt und ein manipulativer Reiher-Mensch als Reiseführer fungiert. Das titelgebende Tier ist dabei viel mehr als “nur” das weisse Kaninchen – seine Beziehung zu Mahito, die zwischen Misstrauen und gegenseitiger Hilfe schwankt, ist wahrscheinlich die differenzierteste im ganzen Film. Seine Einladung zur Odyssee und so im Endeffekt zum Märchen lässt sich Zeit und warnt uns im Vorfeld: Der Versuch zu verstehen ist ein Todesurteil, wenn auch nur für die Vorstellungskraft.

Durch die Kombination von Motiven, die Hayao Miyazaki auch in seinen vorherigen Filmen am Herzen lagen (unter anderem Stadt versus Land, vermenschlichte Tiere und Trauer) und die hier ein Update bekommen, nimmt «The Boy and the Heron» seine Geschichte auch als Vorwand, um auch über die (Un-)Sterblichkeit des Werkes seines Regisseurs, seinen Ruhm und eine mögliche Vollendung nachzudenken. Die Antworten, die der Film findet, sind gerade dann, wenn eine Parallele zur Karriere von Miyazaki gezogen wird, furchtbar anrührend. Man muss sich an den Originaltitel des Films halten «Und Sie, wie werden Sie leben?», um das Geschenk zu verstehen, das Hayao Miyazaki mit seinem Gesamtwerk gemacht hat.

20.11.2023

4.5

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Kommentare

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Patrick

vor einem Monat

Das Movie hat sich in der Oscar Nacht gegen Disney & Co. durch gesetzt und den Oscar gewonnen. Die Story ist fabelhaft umgesetzt untermalt einem mit pompösen Soundtrack aber etwas zu konfus und zu anstrengend erzählt.Dafür gibts von 3.1/2 Sterne von 5.

Zuletzt geändert vor einem Monat


thomasmarkus

vor 5 Monaten

Viele gute Kritiken gelesen - und meist so, dass es drum gehe, wie der Junge sich mit einem Graureiher anfreunde. Das beginnt realtiv früh, mann denkt sich schon, Pointe verschenkt? Und dann ist das viel komplexer, dramatischer... Was ist mit sich befreunden gemeint?


Taz

vor 5 Monaten

Wie immer sind Myiazakis Filme traumhaft schön und bieten interessante Geschichten, die weiter ausserhalb der Normen spielen und durchaus anspruchsvoll ist. Dieser hier kommt für mich aber nicht ganz an die Grossen seiner Werke ran, ist aber trotzdem besser als der Grossteil der Animationsfilme, die jeweils bei uns in den Kinos laufen. Vielleicht sollte man sich anderswo von alten Fäden trennen und mal etwas neues ausprobieren. In Richtung Myiazaki wäre es sicher ein guter Anfang.Mehr anzeigen


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