Fremont USA 2023 – 91min.

Filmkritik

Die afghanische Einsamkeit

Filmkritik: Maxime Maynard

Der neue Spielfilm von Babak Jalali wurde beim Festival des amerikanischen Films in Deauville mit dem Preis der Jury ausgezeichnet und lief auf dem ZFF in der Sektion Special Screenings. «Fremont» bietet einen sanften, unkonventionellen und melancholischen Einblick in den Alltag einer jungen afghanischen Geflüchteten.

Donya (Anaita Wali Zada), eine Mittzwanzigerin, ist nach der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan geflohen. Sie war früher Übersetzerin für die US-Armee, jetzt arbeitet sie in einer Fabrik, die Glückskekse herstellt. Donya lebt in der Kleinstadt Fremont in der Bucht von San Francisco.

Die Taliban formierten sich in den 1990er-Jahren, als sich Afghanistan im Bürgerkrieg befand, und haben seitdem die lokale und internationale Politik immer wieder beeinflusst. Ihre erneute Machtergreifung hat das Jahr 2021 entscheidend mitgeprägt. Zwei Jahre später widmen sich RegisseurInnen mit den unterschiedlichsten Arbeiten den Folgen dieses Ereignisses. Durch Dokumentarfilme wie «Hollywoodgate» und «Transition» oder eben auch den Spielfilm «Fremont» war diese Auseinandersetzung bei der 19. Ausgabe des Zurich Film Festival nicht zu übersehen.

Während der Blick bei diesen Versuchen meist nach Afghanistan geht, um die Situation und den Alltag der Menschen dort zu zeigen, wählt der britisch-iranische Regisseur Babak Jalali einen anderen Ansatz. Er zieht es vor, sich mit denen zu beschäftigen, die die Flucht geschafft haben. Mit Hilfe der italienischen Filmemacherin Carolina Cavalli, von der das Drehbuch stammt, erzählt er so die bewegende Geschichte der jungen Donya, die erst vor kurzem in Fremont angekommen ist. Im Laufe der Jahre, der Kriege und der verschiedenen Flüchtlingswellen hat sich in der kalifornischen Kleinstadt eine immer grössere afghanische Community gebildet.

Der Cast besteht mehrheitlich aus nicht-professionellen SchauspielerInnen. Als Donya liefert die junge Anaita Wali Zada eine starke Performance in ihrer ersten Filmrolle ab. Zweifellos haben die Ähnlichkeiten zu ihren eigenen Erfahrungen die Natürlichkeit des Spiels noch einmal verstärkt. Auch sie floh in die USA, als die Taliban zurückkamen – den Gemütszustand ihrer Figur kennt sie also genau und teilt ihren Schmerz und auch ihre Schuldgefühle.

Ihr monotoner Tonfall, von Laura Valladaos meist symmetrischer Fotografie begleitet, sorgt für eine Atmosphäre, die zeitweise an Wes Anderson erinnert. Die Verwendung von Schwarz-Weiss, laut Babak Jalali eine rein ästhetische Entscheidung, unterstreicht die spürbare Melancholie des Film. Diese visuellen Entscheidungen schmeicheln dem Auge und unterstützen gleichzeitig die Geschichte über Depression, Einsamkeit und Schuld. «Fremont» ist dabei immer in eine sanfte Menschlichkeit gebettet.

19.10.2023

4

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Kommentare

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caravaggio

vor 3 Monaten

Eine wunderschöne kleine Filmperle. Der iranisch-stämmige Regisseur Babak Jalali kreiert mit seiner Co-Autorin Carolina Cavalli und Kamerafrau Laura Valladao einen sehr zarten, fein-malancholischen schwarzweissen Film mit viel subtilen und absurden Witz und wunderschön gezeichneten Figuren, die (wie die Bilder) teilweise stark einem Kaurismäki-, Jarmusch- oder Coen-Universum entsprungen sein könnten und doch allesamt stimmig, fein und lebendig wirken. Zauberhaft.Mehr anzeigen


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