Tout s'est bien passé Frankreich 2021 – 114min.

Filmkritik

Der Mut, den Wunsch des Vaters zu akzeptieren

Sven Papaux
Filmkritik: Sven Papaux

Der im Wettbewerb von Cannes gezeigte Film von François Ozon befasst sich mit dem brisanten Thema des assistierten Suizids und verfilmt den gleichnamigen Roman der Autorin Emmanuèle Bernheim, wobei er Sophie Marceau und André Dussollier heikle Rollen anbietet.

Emmanuèle (Sophie Marceau) taucht in unserem Blickfeld auf und ist von der Nachricht verblüfft, dass ihr Vater André (André Dussollier) einen Schlaganfall erlitten hat. André, ein ehemaliger Industrieller, der ein erfülltes Leben führte, kunstbegeistert und launisch war, ist von nun an ans Bett gefesselt. Sein Lebenshunger schwindet und er bittet seine Tochter, ihn von seinem Leiden zu erlösen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Pascale (Géraldine Pailhas) steht Emmanuèle vor einem grossen Dilemma: Soll sie der Bitte ihres Vaters nachkommen oder ihn davon überzeugen, seine Meinung zu ändern?

Die Inszenierung von François Ozon trifft die einfache und prägnante Schreibweise der Buchvorlage ziemlich gut. Der französische Filmemacher platziert seine Kamera dort, wo sie gebraucht wird. Trotz eines staubigen Beginns mit unregelmässigem Rhythmus findet «Tout s'est bien passé» seinen Puls und erforscht die heikle Frage, ob die beiden Schwestern den letzten Wunsch ihres Vaters erfüllen sollen oder nicht. Die nüchterne Mechanik wirkt auf sie wie ein Saugnapf: Es ist unmöglich, sich von ihr zu lösen, emotional sind Sie wie gelähmt. Denn Ozon macht aus diesem Flehen eine (schreckliche) Infragestellung der Sterblichkeit und der Akzeptanz. Könnten Sie es akzeptieren, wenn Ihr Vater Ihren Arm packt und Ihnen befiehlt, dem Ganzen ein Ende zu setzen? Die Gleichung ist so abrupt, fast unlösbar, dass Sie von dem blossen Gedanken verfolgt werden, sie zu beantworten.

Der Film bewegt sich ganz zurückhaltend, Ozon fängt die schmerzhaften Momente mit klinischer Präzision ein. Sophie Marceau und André Dussollier verkörpern diesen Sumpf aus Affekten und unterdrückten Gefühlen gekonnt in ihren Rollen. Die Sprünge in die Vergangenheit, um das Porträt eines sehr strengen und manchmal brüchigen Familienvaters zu zeichnen, sind perfekt destilliert. Die kurzen Durchquerungen der Mutter, die von der erhabenen und stets intensiven Charlotte Rampling gespielt wird, erinnern an die familiären Verwerfungen. Der Film ist ein Durchbruch, springt von Ellipse zu Ellipse, um das Ausmass des Themas besser zu erfassen, und spielt mit flüchtigen Hoffnungen bis hin zu heftiger Depression. Dank seiner Genauigkeit bei der Behandlung eines so heiklen Themas - wir erinnern uns noch an seinen ergreifenden Film «Grâce à Dieu» - konfrontiert François Ozon den Tod ohne Umschweife. Da der assistierte Suizid in Frankreich geächtet ist, führt uns die Erzählung in die Schweiz. Und um den Wunsch eines gehetzten Vaters zu erfüllen, begeben sich die beiden Schwestern in strafrechtliche Gefahr - Frankreich ist in dieser Hinsicht unnachgiebig.

Von alten Kochtöpfen, gut gehüteten Geheimnissen, «Tout s'est bien passé» hält das Gleichgewicht, findet langsam, aber sicher seinen Rhythmus, um sie mitten ins Herz zu treffen. Kann man ihn als notwendigen Film bezeichnen, um die Debatte voranzutreiben? Sicherlich und mit Anmut.

Übersetzung aus dem Französischen von Sven Papaux durch Zoë Bayer.

Kurze Kritik von Patrick Heidmann:

Für seinen 20. Spielfilm hat sich Frankreichs fleissigster Regisseur François Ozon mal wieder eine besondere Schauspielerin vor seine Kamera geholt. Sophie Marceau spielt eine Schriftstellerin, deren Vater (André Dussollier) sie nach einem Schlaganfall um Sterbehilfe bittet. Das hätte ein bedrückendes Drama über den Tod werden können, doch Ozon entscheidet sich für eine warmherzige, manchmal sogar heitere Familiengeschichte, die die sonst in harmlosen Komödien etwas unterforderte Marceau mit strahlendem Leben erfüllt.

31.03.2022

4

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Kommentare

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TOSCANE

vor 2 Jahren

Pas beaucoup de sympathie, voire même aucune, pour cet homme qualifié de "salaud" par ses propres filles ... une fin de vie assistée en partie possible grâce à ses moyens financiers, il ose quand même se demander "comment font les pauvres pour mourir ? ". Le livre d'Emmanuelle Bernheim était suffisant pour cette histoire. J'ai mis du temps à réaliser que la dame Suisse était Hanna Schygulla. Beauté d'un magnifique visage.Mehr anzeigen


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