Herr Bachmann und seine Klasse Deutschland 2021 – 217min.

Filmkritik

Lieblingslehrer

Filmkritik: Teresa Vena

Für seine Schüler ist Herr Bachmann jemand, der sie nicht aufgegeben hat, nur weil sie nicht die gleichen Voraussetzungen wie deutsche Kinder mitbringen. Der Dokumentarfilm von Maria Speth begleitet diesen empathischen und unkonventionellen Lehrer, wie er sich für die Jugendlichen einsetzt, ihnen Selbstvertrauen gibt und Mut auf die Zukunft macht.

Dieter Bachmann ist Lehrer. Aber nicht mehr lange, da er in ein paar Monaten in Rente geht. Für die Schüler der Georg-Bühner-Schule in einer kleinen westdeutschen Gemeinde wird dies ein grosser Verlust sein, da der unkonventionelle Alt-68er ihnen auf Augenhöhe begegnet und ihr Vertrauter ist. Jedes der Kinder hat einen Migrationshintergrund und daher einen Rückstand in Bezug auf den deutschen Bildungsstand. Mit viel Verständnis, aber ohne auf eine notwendige Strenge zu verzichten, nimmt Herr Bachmann die Bedürfnisse eines jeden seiner Schützlinge ernst und versucht, ihnen eine Zukunftsperspektive aufzuzeigen.

Musik nutzt Herr Bachmann, um die Schüler zu erreichen. Holt er die Gitarre hervor, hat er die Aufmerksamkeit, die er sich wünscht. Mit Musik schafft er es, den Stoff nach einem ganz eigenen Rhythmus zu vermitteln. Die Kollegen achten ihn, hören auf seine Einschätzungen und oft übernimmt er die Vermittlerrolle zwischen den Jugendlichen und den anderen Lehrern, aber auch zwischen den Kindern und deren Eltern.

Nach einem Psychologiestudium in Berlin entschied sich Bachmann eher widerwillig für die Laufbahn als Lehrer. Es war die finanzielle Absicherung, die ihn schliesslich überzeugte. Erst später fand er seine Berufung, in dem was er tat. Seiner Hingabe spürt der Dokumentarfilm «Herr Bachmann und seine Klasse» von Maria Speth zurückhaltend, befreit von einem moralisierenden Blick und dennoch mit viel Empathie nach. Fast vier Stunden lang dauert der Film, in den man vom ersten Moment an hineingezogen wird, und der sich weit kürzer anfühlt. Dies liegt an der Dichte der Inszenierung und der Fülle der Emotionen und Themen, die darin enthalten sind.

Wie bereits in «Neuland» (2013) der Schweizerin Anna Thommen, wachsen einem die jugendlichen Protagonisten ans Herz. Sie zeigen, welche Kraft und welchen Mut es bedarf, sich nicht nur, unter oft traumatischen Umständen, in eine neue Heimat einzufinden, zwischen den Erwartungen der Eltern und die der neuen Gesellschaft zu jonglieren, sondern dort auch eine Leistung zu erbringen, die einem eigentlich keiner richtig zutraut. Es ist eine riesige Lektion an Demut, die einem diese jungen Menschen erteilen. Man fühlt sich danach umso mehr verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass unsere Gesellschaft für sie für gerechte Verhältnisse und reelle Zukunftsperspektiven sorgt.

«Herr Bachmann und seine Klasse» beobachtet wie ein rücksichtsvolles Zusammenleben aussehen könnte und was hinter dem Konzept von Integration wirklich steckt. Nicht zuletzt wirft er Fragen zur Natur unseres Erziehungs- und Schulsystems auf, dessen Effizienz vielleicht auf einer ganz anderen Ebene festgelegt werden sollte.

27.09.2021

5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 2 Jahren

Hab noch nie einen Film vorzeitig verlassen.
Musste das, weil mein letzter Zug fuhr.
Aber der Film fängt wohl irgendwann an und hört irgendwann auf.


Janiban

vor 2 Jahren

Ein fantastischer Film. Trotz enorm langer Dauer keine Sekunde langweilig. Einer der sehenswertesten Filme, die ich je geschaut habe.


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