Seize Printemps Frankreich 2020 – 73min.

Filmkritik

Zartes erstes Liebeserwachen

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Suzanne Lindon, geboren 2000, zeichnet in ihrem ersten Film für Drehbuch und Regie verantwortlich und spielt die Hauptrolle. Sie erzählt von einer 16-Jährigen und einem 35-Jährigen, die sich ineinander verlieben – und unterläuft dabei souverän sämtliche Lolita-Erwartungen, die sich aufgrund der Personenkonstellation einstellen.

Suzanne lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in Paris. Die 16-Jährige ist etwas schüchtern und introvertiert. Sie besucht das Gymnasium, hält zwar den Kontakt zu ihren Schulkameraden und sucht ab und zu Anschluss. Doch sie fühlt sich unter Gleichaltrigen nicht unbedingt wohl. Die unter ihnen üblichen Gesprächsthemen langweilen sie, alkoholische Getränke schmecken ihr nicht, ausgelassene Partys sind nicht ihr Ding.

Ihr Schulweg führt über einen Platz mit kleinem Theater und einem Café. Hier kreuzen sich ihre Wege mit denen von Raphaël. Der Schauspieler ist 35, steht manchmal vor dem Theater oder sitzt im Café. Seine Nachdenklichkeit fällt ihr auf. Sie beginnt auf ihn zu achten, wartet auch schon mal hinter einer Ecke, damit sie sich begegnen. Irgendwann wird er aufmerksam auf sie. Als er sie das erste Mal anspricht, bittet er sie um Feuer für seine Zigarette. Sie antwortet erfrischend direkt, dass es das nicht brauche, da seine Zigarette bereits brenne.

Die folgende Annäherung geschieht zurückhaltend- zögerlich. Er fragt, was sie trinkt – Grenadine-Sirup mit Limo – und trinkt fortan dasselbe. Erkundigt sich nach ihrem Alter und damit sind die Grenzen gesetzt. Obwohl Suzanne ihren Vater fragt, ob er Frauen lieber in Röcken oder Hosen sieht und fortan manchmal einen Minirock trägt, bleibt ihr erotisches Erwachen Subtext. Raphaël macht ihr den Hof, aber macht sie nicht an, küsst sie höchstens auf den Nacken oder ihre Hand. Suzanne, sagt der Vater zu Hause, verhalte sich seltsam. Die Mutter merkt nichts, bis Suzanne heulend in ihren Armen liegt.

Lindon inszeniert mit leichter Hand und sehr stilsicher. Wo Worte, Gesten, Blicke nicht reichen bedient sie sich in bester französischer Manier und mit Verweis auf Grössen wie Jacques Demy und Alain Resnais, den Mitteln des Musicals. Ein paar Takte Musik, einige Tanzschritte auf einer Strasse in Montmartre, die seelische Verwandtschaft findet ihren Ausdruck in Vivaldis «Stabat Mater» einmal nebeneinander am Tisch sitzend, das andere Mal auf der Bühne getanzt. Gut getanzt wird übrigens auch von Lindon, die sich in ihrem zauberhaften ersten Film als multitalentierte und sehr reflektierte junge Künstlerin erweist.

05.07.2021

4

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