And Then We Danced Frankreich, Georgia, Schweden 2019 – 106min.

Filmkritik

Die lodernden Flammen der Leidenschaft

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Levan Akin kombiniert die Auseinandersetzung mit nationaler Tradition kühn mit den physischen Herausforderungen eines Tanzfilmes und dem schwelenden Begehren einer Boy Meets Boy-Story.

Merab tanzt, wie sein Bruder David, seit früher Kindheit. Der Tanz liegt ihnen im Blut: Schon ihre Grossmutter und ihre heute geschiedenen Eltern waren in jungen Jahren grosse Tänzer. Doch mit der Adoleszenz beginnen ihre Biografien auseinanderzuklaffen. Derweil sich David zunehmend in Tiblissis Club- und Partyszene verliert, trainiert Merab eisern weiter und setzt alles daran, ins georgische Nationalensemble aufgenommen zu werden. Obwohl er nebenbei kellnert um seine Familie zu unterstützen, beim Training oft müde ist und Tanzlehrer Aleko seinen „zu weichen“ – anderswo würde man den Begriff „feminin“ verwenden – Tanzstil tadelt, stehen seine Chancen gut.

Eines Tages dann aber tritt ein neuer Tänzer ins Jugendensemble ein. Irakli kommt aus der Provinz. Er trägt Ohrringe und bietet Aleko dreist Paroli, wo andere bloss kuschen. Doch er ist körperlich kräftiger als Merab, und sein tänzerischer Auftritt ist männlicher. Das gefällt Aleko, und so sieht sich Merab unverhofft mit einem Konkurrenten konfrontiert. Doch obwohl sie als Tänzer rivalisieren, fühlen sich Merab und Irakli voneinander magisch angezogen und kommen sich nicht nur auf dem Tanzboden allmählich näher.

And Then We Danced ist der dritte Kinofilm von Levan Akin. Der darin gewählte Ansatz, die Auseinandersetzung mit der musikalischen Tradition Georgiens mit der Schilderung der harten Anforderungen einer Tanzkarriere und dem schwulen Selbsterkennen in einer ersten Liebe zu vermischen, ist kühn. Sie dürfte in der Biografie des Regisseurs gründen. Der in Schweden geborene Akin hat georgische Vorfahren und in jungen Jahren selber getanzt.

Levan Akin hat die Annäherung der beiden Jugendlichen mit viel Gefühl für kinematographische Sinnlichkeit inszeniert und findet via Folklore einen visuell bestechenden Zugang zu Georgiens kulturellen Wurzeln, die im krassen Widerspruch zu den Sehnsüchten der heute jungen Generation stehen. Hauptdarsteller Levan Gelbakhiani, als Tänzer ausgebildet, bringt intensive Leidenschaft auf die Leinwand, auch Bachi Valishvili vermag als Irakli zu überzeugen. Ein grossartiger kleiner Film, der weit mehr ist als die Geschichte eines schwulen Coming-Outs in einer (homophoben) Gesellschaft, die für die regenbogenbunte Geschlechtervielfalt heutiger Zeit noch nicht bereit ist.

23.09.2020

4.5

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Kommentare

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hap2002

vor 3 Jahren

Sehr zu empfehlen!!!


thomasmarkus

vor 3 Jahren

Traurigschön. Mit bitter(süsser), leiser Kirchenkritik...


fugi

vor 3 Jahren

wunderbarer Film.


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