Rabin, the Last Day Frankreich, Israel 2015 – 153min.

Filmkritik

Hasstiraden und Aufruf zum Mord

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Im Dokudrama von Amos Gitai geht es um die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, der 1994 den Friedennobelpreis erhielt. Gitai versucht in Dokumentaraufnahmen und inszenierten Bildern den Hintergrund des Attentats von 1995 auszuleuchten und das vergiftete politische Klima in Israel zu erfassen. Eine Lehrstunde über 153 Minuten.

Manchmal ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, auch 20 Jahre danach. Amos Gitais Dokudrama über den letzten Tag des israelischen Friedensnobelpreisträgers und Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin ist kein filmisches Meisterstück, aber ein Mahnmal, wenn auch mit 153 Minuten sehr lang geraten. Akribisch genau rekonstruiert Gitais die Untersuchungen nach dem Attentat auf den Staatsmann am 4. November 1995, inszeniert die Anhörungen vor der (machtlosen) Shamgar Kommission, die (bewusste?) Fahrlässigkeit, Nachlässigkeit und Fehlverhalten der Sicherheitskräfte ausleuchten sollte. Besagte Befragungen von Sicherheitsverantwortlichen, Polizisten, von Fahrer und Spitalärzten spielen eine zentrale Rolle in Gitais Film. Zu den äusseren Umständen, dem vergifteten Klima, den Hetzkampagnen gegen Rabin und seine Friedenspolitik konnte (oder durfte) die Shamgar Kommission wenig bis nichts beitragen.

Immer wieder streut Gitai, der Filmer aus Haifa, Fernsehaufnahmen und anderes Dokumentarmaterial ein, wobei das Attentat selber und die Verhaftung des Mörders, des rechtsextremen Jurastudenten Yigal Amir, schlecht dokumentiert sind. Eindrücklicher sind dagegen die Interviews und Statements Beteiligter, etwa des Politpartners und Aussenministers Shimon Peres sowie Leahs, der Frau Rabins. Aus dem Wust des Materials, der Aussagen und Kommentierungen schält sich heraus, dass Sicherheitsleute Mitschuld tragen an der Mordtat und dass Rabin Opfer ungeheurer Hasstiraden, politischer wie religiöser Führer und Anhänger wurde. Es wird klar, dass fanatische Kräfte Hass und Gewalt schürten, die Rabin und Aussenminister Shimon Peres als Verräter taxierten und zum Mord aufriefen. Einer von ihnen war der 25-jährige Student Amir, der sich im Recht wähnte, Rabin zu töten. Mit dieser Gewalttat kam der Friedensprozess in Israel/Palästina zum Erliegen. Und das war (und ist) das Ziel nationalistischer, orthodoxer Kreise.

Erschreckend sind die Parallelen zu heute: Solche Fanatiker – rechtsextreme Rabbiner leiten das Recht auf Gewalt aus dem Talmud ab – sind keinen Deut besser als jene Araber und Palästinenser, die zum Heiligen Krieg aufrufen. Der Film erinnert daran, dass die Gewalt, die Radikalisierung, der Extremismus, eben auch des Rechtspopulismus heute so aktuell ist wie vor 20 Jahren. Die Botschaft des Films: Wehret den Anfängen, denn vor solchen Gewalttaten sorgen Worte, Verunglimpfungen, Provokationen, Hasstiraden, Pamphlete für ein mörderisches Klima. Dann fehlt nicht viel, bis der Funke zündet und zum Revolver oder zur Bombe gegriffen wird. Gitais Politdokumentation prangert akribisch die fatale Entwicklung und den Einfluss rechtsorthodoxer Rabbiner in Israel und die Folgen an. Eine (lange) Lehrstunde über Hass und Gewalt – und Unrecht.

15.02.2017

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