La belle saison Belgien, Frankreich 2015 – 105min.

Filmkritik

Stadt-Land-Graben

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Starke Gefühle: Catherine Corsinis La Belle Saison sieht zwei Frauen unterschiedlicher Herkunft sich ineinander verlieben.

Delphine (Izia Higelin) wächst auf einem Hof im ruralen Frankreich auf. Dort, wo man für die Arbeit lebt und als Frau irgendwann den Nachbarsburschen heiratet. Für Delphine gibt es diese Alternative nicht: Sie fühlt sich zu Frauen hingezogen. Nur ist im Jahre 1971 ihre Neigung noch weit davon entfernt, gesellschaftlich goutiert zu werden. Homosexuelle werden mitunter immer noch in Sanatorien verfrachtet und mit Elektroschocks zu therapieren versucht.

In ihrer sexuellen Freiheit eingeschränkt, zieht Delphine in die Stadt Paris. Schnell findet sie Anschluss zu linken jungen Frauenrechtlerinnen, die sich mit viel Vehemenz gegen das Patriachat auflehnen. Eine der engagiertesten Frauen ist Carole (Cécile de France): Eine extrovertierte, einnehmende Mitdreissigerin, der Delphine bald mit Haut und Haar verfällt. Entgegen Caroles Ansage, sie sei nicht lesbisch, kommen die beiden zusammen. Es ist die grosse Liebe, es ist Paris – die Welt liegt dem Paar wortwörtlich zu Füssen.

Dann jedoch erkrankt Delphines Vater schwer. Die Tochter sieht keine andere Möglichkeit, als zurück zu kehren und nach Leibeskräften auf dem Hof anzupacken. Carole folgt ihr, schuftet mir ihr am Tag und liebt sie in der Nacht. Bald aber stellt die Intoleranz der Landwelt eine zunehmende Bedrohung für die Beziehung dar.

Ziemlich salopp wäre es, Catherine Corsinis neunte Regiearbeit als vierzig Jahre zurückversetzte Version von La vie d’Adèle zu betrachten. Dies gesagt, verfügt La Belle Saison gewiss über ähnlich viel Leidenschaft, ebenfalls über zwei tolle Hauptdarstellerinen, sowie über das Feingefühl, zu keiner Zeit falsche Sentimentalitäten zu wecken. Und ja, auch mit nackter Haut geizt der Film nicht.

Während das Meisterwerk von Abdellatif Kechiche narrativ eher dahintrieb, weist La Belle Saison bereits im Groben Struktur auf: Seine Erzählung sieht den räumlichen wie gesellschaftlichen Kontrast als Fundament. Im urbanen Paris organisiert sich die politische Jugend, wobei die Energie ungefiltert aus der Leinwand fliesst und der Geist der Siebziger sich frisch und frei entfaltet.

Man gibt sich gerne diesem Verve hin, inmitten dem die Beziehung des Landeis und der Städterin glaubhaft entsteht. Das Land dagegen gibt sich nur im Bild weitsichtig und unschuldig: Engstirnigkeit regiert unter dessen Volk, und Zweifel sind angebracht, ob die Liebe zweier Frauen zueinander diese verknöcherte Welt verbessern, vor allem aber überdauern kann. In diesem letzten Drittel entwickelt Corsinis Film eine emotionale Kraft, die mitreisst, überwältigt. Losgelassen wird man erst, wenn man sich aus dem Kino begibt – und sich in der Urbanität der Gegenwart wiederfindet.

09.05.2016

4

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Kommentare

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gimir

vor 7 Jahren

Eine wunderschöne Sommerliebe mit Tiefgang - seit langem der berührendste Film einer Frauenliebe.


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