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Der Hamster Schweiz 2015

Filmkritik

Im Hamsterrad

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Was die Midlife-Crisis alles so anrichten kann: In Der Hamster wird ein Familienvater durchs Alter aus der Bahn geworfen.

Leise hat er sich angeschlichen, und nun steht er so unerwünscht wie die Zeugen Jehovas vor der Tür: Der 50. Geburtstag von Toni (Roeland Wiesnekker). Wahrlich kein Grund zur Freude für einen Mann, dem ohnehin grad alles über den Kopf wächst. Die Waage zeigt dreistellig an, auf der Arbeit wird er als Fossil bezeichnet, und im Bett ist seit längerem schon Feierabend.

Midlife-Crisis steht demnach in grossen Lettern auf Tonis Stirn. Doch ganz Mann stemmt er sich gegen die Misere. Im grünen Trainingsanzug schwitzt er im Fitnesscenter und freundet sich mit dem seinem neuen jungen Mitarbeiter an. Er probiert Skydiving aus, geht in die Disco, schwelgt in Erinnerungen und quetscht sich todesmutig in seine Lederhose aus der Jugendzeit.

In seiner umfangreichen Selbsttherapie entfernt er sich jedoch immer mehr von seiner Frau (Stephanie Japp) und der Tochter (Steffi Fries). Als diese sich tatsächlich noch in den aalglatten Organisationsberater von Tonis Arbeit – Stichwort: Fossil – verliebt, verliert Papa endgültig die Fasson. Bald schmollt er im Zelt vor dem Reiheneinfamilienhaus, flankiert von seinem einzigen Verbündeten, dem Hamster HP.

Jung und erfolgreich sein, gut aussehen, das Leben optimieren: Der Hamster greift Themen auf, die dem Zeitgeist entsprechen. Es geht um verzerrte Selbstbilder und verfälschte Ideale, und um den Klassiker, der die Welt drehen lässt: Wie tickt der Mann, wie die Frau? All dies bündelt sich bei Pfundskerl Roeland Wiesnekker, der sich hier in kalauernder Bipolarität üben kann. Im Minutentakt hangelt er sich von Tief zu Hoch, vom langen Gesicht zum glückseligen Kiffer-Grinsen und zurück.

Wo letzten Endes das Quecksilber auf dem Laune-Barometer zu stehen kommt, ist unschwer zu erahnen. Ist doch Der Hamster ab Minute eins ein reinrassiger SRF-Crowdpleaser, eine weitere Episode von lauwarmem Konsensfernsehen. Wenigstens eine zündende, herausfordernde Idee hätte dieser Komödie ab der Stange gut getan. Verschreckt hätte sie den 50+-Fernsehkonsumenten, die man als Zielgruppe ausmacht, keineswegs. Schliesslich sind ja auch Dildos und die Implikation von Selbstbefriedigung in solchen Familienschwänken längst salonfähig geworden. Hier aber wurde in jeder Silbe auf Nummer sicher gegangen. Am Ende des drögen Komödchens von Thomas Gerber (Liebe und andere Unfälle) sagt Toni dann noch artig seine moralischen zwei Sätzchen auf. Damit selbst der Kanarienvogel in unserer Stube rafft, wie verblendet der Tropf in den vergangenen 90 Minuten doch war.

29.01.2015

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