Nymphomaniac Part 1 Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien 2013 – 122min.

Filmkritik

Halb so wild

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Lars von Trier schildert das Leben von Joe, einer Frau, die sich seit ihrer Jugend in erotische Abenteuer stürzt und sich von ihrer Sucht nach immer neuen Affären treiben lässt.

Schon 2011 - im Kontext der Melancholia-Weltpremiere mitsamt ihrer skandalträchtigen Pressekonferenz - hatte Lars von Trier angekündigt, er werde einen Film über eine sexsüchtige Frau inklusive echtem Sex drehen. Das schürte aufgeregte Erwartungen, die von einer monatelangen Marketing-Kampagne im Vorfeld des Kinostarts noch befeuert wurden, und klang gleich nach dem nächsten Skandal. Doch siehe da: Der bleibt nun aus.

Wortbrüchig ist der dänische Regisseur nicht geworden. Nymphomaniac, der in zwei Teilen (und möglicherweise später auch noch einmal in einem von von Trier selbst geschnittenen Director's Cut) auf die Leinwände kommt, zeigt tatsächlich ein paar explizite Sexszenen. Doch die, so wird vermeldet, wurden mit Pornodarstellern als Sex-Doubles gedreht, deren Körper dann in einer aufwändigen Postproduktion mit den Gesichtern der prominenten Schauspieler verschmolzen wurden.

Auch thematisch liefert der Film ganz das ab, was versprochen wurde. Im Zentrum der Geschichte steht Joe (Charlotte Gainsbourg), die zu Beginn des Films in ziemlich desolatem Zustand von dem einsamen Sonderling Seligman (Stellan Skarsgård) aufgelesen wird. Ihm erzählt sie voller Selbsthass die Geschichte ihrer Sexsucht, die von Trier in Rückblenden inszeniert, in denen die perfekt besetzte Newcomerin Stacy Martin die junge Joe verkörpert.

Die von Kapiteln geprägte narrative Struktur dieser wieder einmal stark psychotherapeutisch angehauchten Erzählung gelingt von Trier höchst interessant, selbst wenn er mitunter unnötig auf der einen Ebene erklärt, was man auf der anderen ohnehin schon verstanden hatte. Überhaupt ist Nymphomaniac Part 1 bis zu seinem abrupten Ende (beide Teile als eine Einheit zu sehen, macht mehr Sinn) ein überzeugender, bisweilen sogar großartiger Film. Etliche Szenen sind unvergesslich (darunter ein herrlicher Auftritt von Uma Thurman), die Schauspieler – wie stets bei dem Dänen – erstklassig. Er strotzt nur so vor originellen erzählerischen Einfällen, die man so noch nicht bei von Trier gesehen hat, sowie kulturellen Verweisen und Anspielungen, aber auch klugen Gedanken zur (nicht nur weiblichen) Sexualität und unserer Gesellschaft.

Doch auch was Nymphomaniac Part 1 nicht ist, sollte erwähnt werden. So provozierend oder schockierend wie etwa Antichrist nämlich ist er nicht. Das Moment der Überwältigung, das man damals erst einmal verdauen musste, bleibt dieses Mal aus. Ob man das als Einwand gegen oder Lob für den Film empfindet, liegt wohl im Auge des Betrachters. Aber so oder so: Von einem Skandal fehlt jede Spur.

16.03.2024

4

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Kommentare

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Deg89

vor 9 Jahren

Erzählerisch sehr anspruchsvoll und auch wenn die Sexszenen sehr explizit ausfallen, sie haben eine bedeutsame und erschütterne Wirkung.


blaueswunder

vor 9 Jahren

Was für ein Haufen pratentiöser Mist - kaum zu ertragen!


tuvock

vor 10 Jahren

Viel an Psychologischem Gequake tritt im Film auf, hin und wieder habe ich meiner Freundin masturbiert und sie dann oral befriedigt, aber das ist bei so einem Film normal. Gut das keiner im Kino war. Die Szenen mit Jamie Bell der als Sadist auftritt, oder Willem Dafoe als Chef von einer Mafia Vereinigung sind nett, aber auch unnötig. Wieso Udo Kier mitspielt, als Kellner, weiß ich nicht, dann ist da noch die Szene mit Jean-Marc Barr der einen Kinderschänder spielt, hin und wieder gibt es Musik im Hintergrund von Bach und Beethoven zu hören, also viel Klassik mit langen Bildern und Szenen, ja dass ist auch unnötig finde ich.

Die Darstellung von Charlotte Gainsbourg ist nicht übel gelaufen, sie redet, sie leidet sie erzählt, meine Güte was für eine Leistung, ja Sex gibt es auch, und einige Szenen aber das verrate ich nicht. Jedenfalls so lange möchte ich nicht über den Film schreiben, mir hat er nicht gefallen, er war viel zu lange und zum Abschluss zu kommen, 70 von 100 Punkten kriegt er weil er doch irgendwie was seltenes ist und nicht übel, aber dass ist das höchste der Pornogefühle.Mehr anzeigen


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