CH.FILM

The Marsdreamers Frankreich, Schweiz 2009 – 83min.

Filmkritik

In weiter Nähe, so fern

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Der Schweizer Dokumentarfilmer Richard Dindo hat sich in den Vereinigten Staaten mit Leuten getroffen, die sich lieber heute als morgen auf dem "roten Planeten" niederliessen. Dabei sind sie nicht grün hinter den Ohren.

"Mit Mars bisch zwäg": Die Schweiz weiss es seit den Achtzigern. Dass auf dem Planeten gleichen Namens weder Milch noch Honig fliesst, ist der ganzen Welt bekannt, sogar schon etwas länger. Wasser führt der Mars, allerdings nur im festen Aggregatszustand; seine Temperaturen gelangen nie auch nur annähernd in die Nähe des Gefrierpunktes. Zum Permafrost gesellt sich radioaktive Strahlung, und pausenlos wirbeln orkanartige Böen den Wüstensand auf, der Feinstaub heissen müsste, so wie dem "roten" der Beiname "toter Planet" besser anstünde. Selbst die Marssonde "Spirit" ist gerade dabei, den Geist aufzugeben. Sie wurde sechs Jahre alt.

Erstaunlicherweise finden sich trotzdem Menschen, welche die Frage: "Würden Sie zum Mars fliegen" mit einem "Ja" beantworten, obwohl allein der Hinflug - auch das weiss die Wikipedia - sechs Monate dauerte. Der Schweizer Dokumentarfilmer Richard Dindo hat in den Vereinigten Staaten, wo er "schon immer mal drehen wollte", ein gutes Dutzend so genannter "Marsianer" aufgespürt; keine Spinner nach eigenem Bekunden, sondern seriöse Wissenschaftler, Architekten, Studenten und Ingenieure, aus deren Augen die Gewissheit leuchtet, dass der Mars in naher Zukunft nicht nur besiedelbar ist, sondern auch die Wiege einer neuen, natürlich besseren Menschheit.

Es ist ein wildes Gemenge aus technologischem Machbarkeitswahn, sektiererischem Fortschrittsfanatismus, nuklearer Paranoia, ökologischer Verzweiflung und dem typisch amerikanischen "Frontier"-Gewäsch, das sich in "The Marsdreamers" ausspricht. Der Gehalt der Gespräche, die sich kaum je zu richtigen entwickeln, weil Dindo sich nur als Stichwortgeber versteht, changiert zwischen erhellend, erheiternd und ärgerlich. Noch der Informatikstudent, den nur seine Eitelkeit vor die Kamera treibt, wird von seinen Grosseltern als Grossmaul entlarvt. Aus gestandenem akademischen Munde werden die segensreichen Folgen besungen, die der Treibhauseffekt auf dem Mars hätte, andere tragen sich mit dem Bau von Atomkraftwerken. Nicht alle dieser Utopisten sind leider so grün wie die ominösen Marsmännchen, von denen zwei Indianer hoffen, es gäbe sie nicht. Amerikas Ureinwohner haben am eigenen Leibe erfahren, was es bedeutet, wenn der weisse Mann sich aufmacht, neue Welten zu erschliessen.

Ein Schuss mehr kritische Distanz hätte dem langsamen, meditativen Dokumentarfilm nicht geschadet, eine fundierte kulturgeschichtliche Perspektive auf das Phänomen "Mars Attracts" ebenso wenig. Raffinement beweist Dindo zum Schluss, wenn er seinen Film unversehens zum Plädoyer für den Schutz der Erde werden lässt.

20.03.2014

3

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