Tuyas Hochzeit China 2006 – 96min.

Filmkritik

Eine Frau steht ihren Mann

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

China am äussersten Rand. Die karge Steppe in der Inneren Mongolei und eine Hirtenfamilie. Wang Quan'an beschreibt einen Partikel rudimentärer sozialer Realität. Eine Frau zwischen drei Männern, begehrenswert, besonnen, beharrlich, kämpft um die Existenz ihrer Familie. Der karge archaische Film wurde in Berlin 2007 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.

In seiner archaischen Art und kargen Eindrücklichkeit erinnert «Tuya's Marriage» an Serik Aprimovs «The Hunter», einem Adoleszenzdrama, in die Berglandschaft Kasachstans eingebettet. Schauplatz ist die zentralasiatische Steppe. Die Geschichte handelt vom Überlebenskampf, von Liebe und Solidarität - und hat eine gewisse rudimentäre Ähnlichkeit mit dem chinesischen Frauendrama.

Die Steppe als Kulisse: Eine Schafherde, ein paar Kamele und eine Rundhütte - das Zuhause für zwei Kinder, einen handicapierten Mann und die robuste Tuya. Bater ist seit einem Unfall körperbehindert. Seine Frau Tuya rackert sich ab, um die Familie mühsam über Wasser zu halten. Doch als sie sich bei einem Einsatz verletzt und ihre Wirbelsäule schonen muss, ist sie gezwungen, ihre Lage, ihre Existenz zu überdenken: Sie kann es allein nicht mehr schaffen. Sie sieht eine einzige Alternative: Sich scheiden lassen und einen anderen Mann (mit Kapital) zu heiraten. Und so tanzen einige solvente Kandidaten an: Tuya willigt in eine Hochzeit ein. Ihre Bedingung: Ex-Ehemann Bater muss versorgt und in die «neue Familie» integriert werden. Das ist nicht jedermanns Sache. Tuyas ehemaliger Schulfreund Baolier würde ihr materiell aus der Patsche helfen, er hat Geld im Ölgeschäft gemacht. Obwohl sie barsch das Werben des Luftikus Senge, dem die Frau davongelaufen ist, ablehnt, hat sie ihn insgeheim ins Herz geschlossen. Der junge, aber leichtsinnige Nachbar tut alles, um Tuya für sich zu gewinnen, selbst als sie sich verheiratet.

Um die Hintergründe zu verstehen, muss man wissen, dass in China aufgrund der Geburtenregelung (Ein-Kind-Politik) Frauenmangel herrscht. Mädchen wurden abgetrieben, Jungen bevorzugt. Im Gegensatz zu diversen Epen und Historiendramen der aktuellen chinesischen Filmproduktion, die im Westen auf offenen Kinos treffen (z. B. das grandiose Bildwerk «The Curse of the Golden Flower»), komprimiert Wang Quan'an ein menschliches Drama radikal auf wenige Personen, auf eine zwischenmenschliche Existenzproblematik. Dem Filmer geht es um ein reales Zeitbild am Rande des modernen Chinas, um den Einbruch moderner (materialistischer) Einflüsse und Verführungen ins Nomadenleben, letztlich um den Existenzkampf. Der Deutsche Lutz Reitemeier hat die Kamera geführt.

Die Zeit steht nicht still - auch dafür ist «Tuya's Marriage» ein stimmiges authentisches Zeugnis. Das verdankt der Film den Laiendarstellern aus der Steppe, der Darstellerin Yu Nan als Tuya und der ungekünstelten Story mit Sozialverhältnissen, die schon überholt sind: Die mongolischen Nomaden sind sesshaft und Opfer des Fortschritts geworden.

17.02.2024

4

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


aviva

vor 16 Jahren

Gefühlvoller Film, starke Frau zerrissen zwischen Liebe und Pflicht. Zum Glück mit Happy-End. Alles kommt richtig im Leben, man muss bloss abwarten und vertrauen. Positive Botschaft also.


edsag

vor 16 Jahren

Sehr gelungen, weil gerade die Zivilisationsprobleme angesprochen wurden. Dieser Film ist zwar über die Chnesen in der inneren Mongolei gedreht, beschreibt aber auch die südliche Mongolei sehr gut. Ich selbst war in Familien im Nordwesten Chinas und in Osten der Mongolei und erlaube mir die Darstellung der Zeremonien und der Probleme als sehr gelungen einzuschätzen.Mehr anzeigen


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