Princess Dänemark, Deutschland 2006 – 81min.

Filmkritik

Ein Däne sieht rot

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Anders Morgenthaler will mit dem Erwachsenen-Zeichentrickfilm «Princess» erklärterweise ein Zeichen gegen die verrohende Wirkung des Pornogeschäfts setzen. Dass sich der Däne dabei in blutigen Rachefantasien und Gewaltexzessen suhlt, bringt ihn in Verdacht, jene niederen Instinkte zu bedienen, die er anzuklagen vorgibt.

Was in der Welt japanischer Animes zum guten Ton gehört - das heisst Sex, Philosophie und Gewalt -, kommt im europäischen Zeichentrickfilm meist nur in homöopathischer Dosierung zum Einsatz. Zwar gilt der animierte Film auch hierzulande als Genre par excellence, wenn es darum geht, fremde Welten und die Kosmologie realitätsferner Spinner zum Leben zu erwecken. Dabei wird allerdings darauf geachtet, dass alles kindsgerecht harmlos ist und tatsächliche Abgründe weitgehend ausgeblendet bleiben. So kommt es wie ein kleiner Schock, wenn nun ein Däne in einem Trickfilm die Kamera darauf hält, wo es wirklich weh tut.

August ist Priester. Als er Mia, die Tochter seiner verstorbenen Schwester Christina, in Obhut nimmt, führt das zu ernsthaften Verwerfungen. Leichtfertig hatte Christina, die als Porno-Starlett mit Namen «Princess» einigen Ruhm genoss, das kleine Kind ungeschützt der Atmosphäre von Bordellen und Fickorgien ausgesetzt. Mit ernsten Konsequenzen. Die kleine Mia ist total abgebrüht, was die Erziehung für den Onkel und neuen Pflegevater August fast unmöglich macht. Ungeschickt versucht er, dem Kind Geborgenheit zu bieten, will moralische Stütze sein und ein Umfeld schaffen, in dem Mia «normal» aufwachsen kann.

Zunehmend frustriert muss August feststellen, dass, wo immer er interveniert, er bei der Kleinen nur auf die bereits vorhandenen obszönen Bilder aus ihrer frühen Kindheit trifft. Als Mia ihm eines Abends, mit der Absicht ihn zu masturbieren, den Reissverschluss an seiner Hose öffnet, gerät Augusts Leben endgültig in Schieflage. Er beschliesst, die Dinge «wieder in Ordnung» zu bringen, und startet einen blutigen Amoklauf gegen Charlie, den steinreichen Pornokönig. Er war es gewesen, der mit dem Ruf und Bild seiner Schwester ein Schundimperium aufbaute und dabei ruchlos die Seelen unzähliger Menschen opferte.

So schief steht «Princess» in der europäischen Zeichentrickfilm-Landschaft, dass man das Anti-Porno-Pamphlet bereits als Kreuzung zwischen «Taxi Driver» und «Arielle - die kleine Meerjungfrau» bezeichnete. «Princess» ist tatsächlich schwer zu fassen, doch es gibt wenige Momente, in welchen man Anders Morgenthalers Wut gegen die Porno-Industrie ernstnehmen mag. Der Verdacht, dass hier zynisch, einzig auf den Effekt hin inszeniert wurde, wird nicht kleiner, wenn man in Lars von Triers Zentropa die Produzentin des Films ausmacht. Wie kein anderer beherrscht der dänische Dogma-Bürgerschreck die Kunst der Provokation, und es ist nur zu offensichtlich, dass sich Morgenthaler ähnlich zu positionieren versucht. Nur sehr viel unbeholfener.

Eher plump als kühn wird Märchenhaftes - der immer wieder unvermittelt zum Leben erweckte Plüschhase von Mia - mit kruden Gewaltexzessen und Blutorgien gekreuzt. Den zeichnerischen Stil könnte man wohlwollend als minimalistisch bezeichnen, schlampig trifft es besser. Schliesslich sind da noch die Samir-like eingebauten Realfilm-Einschübe von Pornodrehs, die für Distanz sorgen und «Princess» wohl zum Kunstfilm adeln sollen. Auch das funktioniert nicht recht, und so vervollständigt sich das Bild einer recht verlogenen Produktion, deren einzige Daseinsberechtigung darin zu bestehten scheint, dasjenige anzuklagen, was man gleichzeitig mit unverhohlenem Genuss zelebriert.

17.02.2024

3

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