Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr Frankreich, Italien 2003 – 110min.

Filmkritik

Leiden auf hohem Niveau

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Das steht so bei Matthäus in der Bibel und stimmt fast für mein Leben, sagt die Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi mit ihrem Regie-Erstling. Beinahe eine Autobiographie, tragikomisch und tierisch geglückt.

Was für ein Leben! Der Vater (Roberto Herlitzka) liegt im Sterben, die Mutter (Marysa Borini) will reden, Schwesterchen (Chiara Mastroianni) schmollt, der Freund (Denis Podalydès) nervt, der Ex (Jean-Hugues Anglade) nicht, der Bruder auch nicht, aber bloss, weil der wie immer nie da ist. Fascht ä Familie, möchte man meinen, und zwar eine wie deine und meine. Wäre da nicht das viele Geld. Mein Gott, sind die reich! Und damit hat jemand ein Problem: Valeria Bruni Tedeschi.

Es ist eben fast wie in ihrem richtigen Leben in "Il est plus facile pour un chameau": Valeria Bruni Tedeschi hat in ihrem Regie-Erstling die eigene Geschichte verfilmt, oder, wie sie selber sagt, etwas davon aufgeschrieben und den Rest mit Noémi Lvovsky ("Oublie-moi". "La Vie ne me fait pas peur") zu einem Drehbuch veredelt. In ihrem sogenannt richtigen Leben ist alles noch ein bisschen glamouröser: Der Grossvater war ein schwerreicher italienischer Industrieller, Frau Mama ist Konzertpianistin, die Schwester Carla Bruni Ex-Topmodel und Neo-Chansonnière ("Quelq'un m'a dit" - sofort kaufen!), und Valeria selber seit den 90ern - siehe "La Reine Margot", "Au coeur due mensonge" - vielgelobte Actrice, eine Art geheime Schutzpatronin des französischen Films, ein Fleisch gewordener Männertraum, nicht zuletzt dank ihrer unendlich bezaubernden Stimme. Dieses heisere Flüstern - man kann sich gar nicht satthören daran.

Tableau! "Il est plus facile pour un chameau" ist keine Sabbervorlage und einiges mehr als die früh verfasste Autobiographie einer etwa mehr als 30-Jährigen. Auch wenn sich diese Lesart des Films weit treiben lässt und sich sogar in der Besetzung manifestiert: Die Frau, die Valerias Mutter spielt, ist ihre richtige, Schwester Chiara Mastroianni nur (famoser!) Ersatz für Carla Bruni, die schon fast zugesagt hatte, dann aber doch lieber ihre erste Platte zu Ende hauchte. Valeria Bruni Tedeschi zeigt das Leiden einer Reichen auf Erden. Ihr Thema ist der zweite Teil des Verses aus dem Matthäus-Evangelium, den der Titel ihres Filmes unterschlägt: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt." Will heissen: Viel Geld macht das Leben zur Hölle. Ich bin reich, holt mich hier raus! Das mag jetzt nach, o Gott!, Kirche tönen, scheinkrank und freudlos obendrein. Ist es aber gar nicht. Im Gegenteil.

Valeria Bruni Tedeschis Erstling ist so etwas wie die weibliche Antwort auf die Filme Nanni Morettis, auch einer verspiegelten Autobiographik verpflichtet, Neurosen-Pflege im besten Sinne, ebenfalls höchst humorvoll gebrochen, formal aber strenger gehalten: "Il est plus facile pour un chameau" ist ein stetes Pendeln zwischen einst und jetzt, einer als glücklich erinnerten Kindheit und einem vertrackt erlebten Erwachsenensein, oder vielmehr einem Zustand dazwischen. Entstanden ist das Porträt einer jungen Frau, die Zeit ihres Lebens an dem einen Satz leidet, dass nicht unglücklich zu sein hat, wer Geld hat. Aus solchem Überfluss erwächst eine Not, die wahrlich tragikomisch ist.

Und dann ist da ja noch diese Schlussszene, die fast allein das Eintrittsgeld wert ist. Wie die Familie zum Schluss den Vater - aber lassen wir das. Geht hin in Freuden!

15.02.2024

4

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