Der Stellvertreter Frankreich, Deutschland, Rumänien, USA 2002 – 135min.

Filmkritik

Ein veralteter Skandal

Filmkritik: Senta van de Weetering

Das Erste, was man über Rolf Hochhuths Stück "Der Stellvertreter" sagen muss: Es war bei seiner Uraufführung ein Skandal. Wenn nicht als erster, so doch am lautesten prangerte der Schriftsteller das Schweigen des Papstes zu den Vernichtungslagern der Nazis an und demontierte die Behauptung, der Vatikan hätte auch mit einer dezidierten Stellungnahme nichts bewirken können. Costa-Gavras verfilmt das Stück vierzig Jahre später – vierzig Jahre zu spät.

Der titelgebende Stellvertreter ist der Papst, der Stellvertreter Gottes auf Erden. Hochhuth warf ihm laut und öffentlich sein Schweigen zur Vernichtung von Millionen von Menschenleben vor. Mit einer klaren Verurteilung hätte der Papst das Grauen der Konzentrationslager stoppen können, so Hochhuths These. Denn als hochrangige deutsche Kleriker sich öffentlich gegen die Euthanasie wendeten, erreichten sie damit einen Stopp. Auch in Rumänien zum Beispiel seien die Deportationen eingestellt worden, als sich der dortige Nuntius dagegen stellte, führt Hochhuth im Nachwort zu seinem Stück aus.

Von katholischer Seite wehrte man sich 1963 lautstark gegen das Drama. Costa-Gavras‘ Verfilmung stiess bei der Aufführung an der Berlinale vor allem durch das Plakat auf Widerstand: ein halbes Kreuz und ein halbes Hakenkreuz fanden da zu einer unheiligen Alianz, die mehr Diskussionen auslöste, als es der Film vermochte.

Drama und Film stellen eine Figur ins Zentrum, deren Existenz historisch belegt ist, den SS-Obersturmführer, gläubigen Protestanten und Chemiker Kurt Gerstein, der sich im Kampf gegen Typhus durch die Entwicklung einer effizienten Desinfektionsmethode einen Namen machte und zu spät entdeckte, dass seine Erfindung zur Ermordung von Menschen missbraucht wurde.

"Der Stellvertreter" zeigt den verzweifelten Versuch Gersteiners, das Ausland auf den Völkermord aufmerksam zu machen und gleichzeitig "Auge Gottes in dieser Hölle" zu bleiben – sprich, seine Rolle als SS-Obersturmführer weiterzuspielen.

Ein junger Jesuit, gespielt von Mathieu Kassovitz, unterstützt seine vergeblichen Bemühungen, mit den Schreckensmeldungen beim Vatikan offene Ohren zu finden. Aber dort ist man damit beschäftigt, die eigene Stellung zu halten und zieht es vor, den Holocaust nicht zur Kenntnis zu nehmen. Eine explizite Verurteilung des Völkermordes bleibt aus.

Costa-Gavras weiss, dass die Zuschauenden die Bilder aus den Gaskammern, der verkrümmten, mageren Körper, der Massengräber kennt. Er zeigt das Grauen deshalb nie direkt, das Publikum sieht nur das Gesicht Gersteiners, der durch ein Guckloch zum ersten Mal der Vergasung von Menschen zuschaut. Und er zeigt, wieder und wieder, Güterzüge, die durch weite Landschaften fahren. Mit geschlossenen Türen hin, mit offenen zurück.

Zweifellos: Der Film ist gut gemacht, und Ulrich macht Gersteiners Gequältheit, das Doppelspiel mit dem Wissen um die Gefahr, jeden Moment sichtbar. Und doch bleibt die Frage: Warum dieser Film? Warum jetzt? Costa-Gavras will ihn als beispielhaft verstanden wissen. Auch heute noch geschehe Unrecht, und "es ist wichtig, nicht zu schweigen." – Womit er zweifellos recht hat. Nur überzeugt er nicht so richtig damit, dafür ist das Stück zu sehr eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust.

01.06.2021

3

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Kommentare

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imran1

vor 3 Jahren

Ich finde es liderlich das, wenn man weiss wie facebookund twittter mit daten umgehen, diese miesen firmen
zur anmeldung verwendet.
Möglich das C..G. diesen film spät gedreht hat. Aber besser spät als nicht. Diese gottlose schweinerei muss immer
wieder erwähnt werden!
Man kann auch die frage stellen, warum keiner vorher sich filmisch diesem stück angenommen hat. Alles hosenscheisser oder was?Mehr anzeigen


phila

vor 11 Jahren

Excellent


mamama

vor 17 Jahren

der film hat nicht allzu viele action, hat aber doch eine intensive handlung, und ist ein gelungenes drama. ein guter französischer film!!!


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