Damen und Herren ab 65 Deutschland 2002 – 70min.

Filmkritik

Bühne frei und Hut ab

Filmkritik: Remo Bräuchi

Im preisgekrönten Dokumentarfilm von Lilo Mangelsdorff beweisen Frauen und Männer eindrücklich, dass sie noch längst nicht zum alten Eisen gehören, nur weil sie gerade ihren 65. Geburtstag gefeiert haben. Mutig und unerschrocken widmen sie sich einer Herausforderung, für die normalerweise schon Menschen über 35 zu alt sind.

"Damen und Herren ab 65 gesucht", so begann eine Kleinanzeige in der Lokalzeitung von Wuppertal. Ziel war, das Tanztheaterstück "Kontakthof", welches Pina Bausch mit ihrer Truppe 1978 herausgebracht hatte, mit älteren Menschen, mit Laien, neu zu inszenieren. Auf die Anzeige meldeten sich über 150 Personen. In einem langen Prozess wurden schliesslich 25 Seniorinnen und Senioren ausgewählt. Tänzerinnen und Tänzer der Uraufführungsgruppe studierten mit den Laien die komplizierten, unverwechselbaren Posen, Gesten und Bewegungsabläufe ein. Ein Jahr lang wurde geprobt. Die Premiere 2000 war ein Riesenerfolg, und seither ist die Truppe regelmässig auf Tournee.

Die Choreografin Pina Bausch hat in Deutschland die Tanzkunst revolutioniert. Sie hat in den 70er Jahren das romantische Ballet und den modernen Tanz hinter sich gelassen und eine höchst eigenwillige Ästhetik geschaffen: Tanz als Körperaktion im Spannungsfeld zwischen Musikalität, Theatralität und Raumgestalt.

Es ist ein Glücksfall, dass Regisseurin Lilo Mangelsdorff das Wuppertaler Tanztheater und die Senioren für ihre respektvolle Dokumentation der Wiederinszenierung hat gewinnen können. Sie begleitete die Proben und portraitiert die Seniorinnen und Senioren mit ihren Erfahrungen bei der Arbeit und den Auswirkungen auf ihren Alltag. Einige der Mitwirkenden hat die Regisseurin dabei ganz genau beobachtet. Es sind Menschen mit gelebten Gesichtern, die sich zuvor nie auf einer Bühne bewegt haben und das Tanzen, wie es Pina Bausch vormachte, erstmal von Grund auf neu lernen mussten.

Mit beeindruckender Offenheit, Eloquenz und auch ganz schön selbstironisch sprechen sie über ihre Ängste, sich auf ein neues Abenteuer einzulassen, die Überwindung, sich auf einer Bühne zu exponieren. Und da war dann auch plötzlich diese Befreiung, wieder eine Herausforderung zu haben, gebraucht zu werden und Teil eines Ganzen zu sein. Ihre Augen leuchten, wenn sie von der Premiere ihres Stücks sprechen oder sich vor den Aufführungen gegenseitig die letzten Tipps geben. Alle sind sie sich bewusst, dass diese Erfahrung aufgrund ihres Alters zeitlich begrenzt sein wird. Es ist wohl auch dieses Wissen, das diesen Menschen den Glanz und dem Film seine Faszination verleiht.

13.09.2004

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