Adaptation USA 2002 – 115min.

Filmkritik

Adaptation

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Selten kommt es vor, dass ein Schreibstau zu einem solch kunstfertigen, komischen und intelligenten Resultat führt. Das Lob gebührt Drehbuchautor Charlie Kaufman, der bei "Adaptation" zum zweiten Mal, nach "Being John Malkovich" (1999), mit Regisseur Spike Jonze zusammengearbeitet hat. Wie aber soll man einen Film beschreiben, der seine eigene Entstehung thematisiert?

Kopfgeburten waren es in "Being John Malkovich", eine Kopfgeburt ist auch "Adaptation": Nicolas Cage spielt Charlie Kaufman, das heisst, der Star des Films spielt den Autor des Films. Und wie er ihn spielt: Hadernd, introvertiert, selbstmitleidig und klar doch, unfähig, eine Frau ins Bett zu kriegen. "Adaptation" ist die Geschichte von Kaufman, wie er im Rausch des "Being John Malkovich"-Hypes und einer Oscar-Nomination den (eigentlich unmöglichen) Job übernimmt, den Tatsachen-Bericht "The Orchid Thief" der Journalistin Susan Orlean (Meryl Streep) für die Leinwand zu adaptieren. Orlean hatte über den besessenen Orchideen-Wilderer John Laroche (Chris Cooper), der in Florida einer Geister-Orchidee nachjagte, zuerst einen Magazin-Artikel im "New Yorker" veröffentlicht und diesen später zum Bestseller-Roman erweitert.

Was Kaufman bei diesem Auftrag besonders gefällt, ist der Echte-Leute-Aspekt. Keine Hollywood-Formel. Er stellt beim Gespräch mit der Produzentin Valerie (Tilda Swinton) deshalb auch klar: "Diesmal kein Sex, keine Knarren, keine Autoverfolgungsjagden" und meint, "warum sollte man keinen Film ganz einfach über Blumen machen können?" Später sitzt Kaufman hinter der Schreibmaschine und wartet auf die Inspiration. Die aber kommt nicht.

Die Quälerei beginnt. "Ess ich einen Muffin jetzt, um mich zu motivieren, oder aber später, um mich für einen ersten Abschnitt zu belohnen?" Der Film nutzt die Warterei, um kurz einen Abriss über die Adaptationsfähigkeit von Pflanzen einzuschieben, den Naturforscher Charles Darwin auftreten zu lassen, und schliesslich beim verzweifelten Entschluss Kaufmans zu landen, sich selbst ins Drehbuch hinein zu schreiben.

Damit verliert er sich endgültig im Reich der Fiktion. Hier taucht wie ein deus ex machina der etwas dümmliche Zwillingsbruder Donald (wiederum Nicolas Cage) in der Wohnung des talentierten Charlie auf. Fett und mit gelichtetem Haar auch er, im Gegensatz zum Bruder aber ungleich erfolgreicher bei Frauen. Er kündigt an, Drehbücher schreiben zu wollen. Keine intellektuellen Scripts, eher Hollywood-Knaller, gestrickt nach der abgedroschensten Serienkiller-Formel. Charlie ist entsetzt.

Im echten Leben hat Charlie Kaufman keinen Zwillingsbruder. Donald ist in "Adaptation" ganz einfach sein lebensfroheres und optimistischeres Alter ego. Weil Donald sich um Originalität foutiert, besucht er Kurse beim (realen) Drehbuch-Guru McKee (Brian Cox). Charlie ist angewidert, widerspricht solches seiner Vorstellung von Kreativität fundamental. Leben entwickelt sich nicht nach Formeln; Fiktion entwickelt sich nicht nach ... Oder doch? Charlie verzweifelt, denn Donald feiert mit dem stupiden Serien-Killer-Drehbuch den Durchbruch in Hollywood.

Charlie dreht sich im Kreis. Seine Adaptation steckt fest, irgendwo in den Sümpfen Floridas, wo auch die Reporterin Orlean der eigenen Faszination am hässlichen Larouche auf den Grund zu gehen versucht. Endlich willigt Charlie ein, mit dem Bruder zu kooperieren, was schliesslich die Geschichten zusammenführt und damit in einen szenarischen Alptraum mündet.

"Adaptation" handelt von Obsessionen. Obsessionen für Orchideen, Obsessionen fürs Schreiben, Obsessionen für Obsessionen. "Du bist das was du liebst, nicht das, was dich liebt", erklärt Donald seinem Bruder am Ende und fordert ihn auf, das reale Leben wie die Fiktion nicht dem Urteil anderer zu überlassen. Verfolgt man seine (unerklärlichen) Vorlieben mit (unerklärlicher) Liebe, so kann das - und "Adaptation" beweist es in seiner ganzen Übergeschnapptheit - zu magischen Momenten führen.

23.03.2021

4

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

charmantes originelles versuch von spike jonz... aber irgendwie nerfend


tuvock

vor 20 Jahren

DONALD weiß auf alles eine Antwort, hat viel mehr Erfolg beim weiblichen Geschlecht, und ist schon bald mit der Maskenbildnerin CAROLINE fix befreundet, die er durch einen Zufall in der Arbeitswelt von CHARLIE auffindet, und will ihm helfen diese schwierige Notlage zu meistern. Und er fängt am besten damit an, sich als CHARLIE auszugeben, und der Damenwelt den Hof nicht so sehr zu machen, wie er CHARLIE versprochen hat, sondern ein DONALD sein, der SUSAN interviewt, samt seines ganzen Könnens als Interviewer, und stellt die richtigen Fragen die nötig sind um ein Buch zu schreiben, das dann natürlich sein Bruder CHARLIE veröffentlichen soll, nachdem er es mal geschrieben hat.

JOHN LAROCHE ist der richtige Draufgänger, sammelte er mal Holländische Spiegel aus dem 19. Jh. hat er das genauso bald aufgegeben wie seine Liebe zu Zierfischen, und auch seine 60 Aquarien weggeschmissen. Dieser Soziopath ist vor vielen Jahren das von SUSAN ausspionierte Opfer gewesen, über das sie schreibt.
Jetzt ist er anerkannter Schwarzsammler in vielen Amerikanischen Bundesstaaten um geschützte Orchideen, mit Hilfe seiner Indianerfreunde zu sammeln, und weiß natürlich das er gegen so ziemlich alle Naturschutzgebietsgesetze verstößt die es gibt. Ein Mensch wie JOHN ist auf nichts angewiesen, wie eine Schlange die sich häutet, verlässt er ohne Widerwillen und Ängsten seine langjährigen Leidenschaften um sich voller Elan in die nächste zu stürzen, und gerade dieser hat es SUSAN angetan. Und so beginnt in der Mittvierzigerin bald das Mauerblümchengerüst zu wackeln das sie gekonnt täglich anlegt, um sich vor so vielen Gefühlen zu schützen die einer Person wie Ihr das Leben nur erschweren könnten. Sie aufgewachsen in einer Welt voller Gefühlskälte und Verhinderung der eigenen Wünsche, verliebt sich wohl langsam in die Art von JOHN auf einer tieferotischen Platonischen Ebene, die abseits von jeder menschlichen paarungszeremoniellen Wirksamkeit ist, die uns Leuten auf diesem Planeten das Leben mit einer untergehenden Sonne so erträglich machen, weil wir darüber Bände schreiben könnten. Wie ein Poet. Wie viele Poeten. Und das will SUSAN verhindern, doch sie kann es nicht.

Und CHARLIE muß mehr erfahren über seine Protagonistin, schüchtern wie er ist, um über sie und vor allem das Buch zuschreiben, und um den Film zu Ende zu bringen, nachdem der Anfang nicht mal noch da ist.

Für Leute die Cineasten der besonderen Art sind, und zwar solche die sich an Filmen ergötzen wo man zuerst einmal 10. 000 Essays lesen muß bis man sie kapiert, oder Blitzkneiser wie ich, die aber trotzdem keinen Gefallen daran finden, fast 2 Stunden lange, Zeitsprünge zu beobachten wo Irre dauernd irgendwas quasseln das mich zum einschlafen bringt. Da war der Blow Job meiner Freundin viel interessanter.

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tuvock

vor 20 Jahren

Und auf diese anziehende, fantastisch anmutende These baut sich dieser Film auf. Ein Drehbuch das von cineastischen Einfällen nur so strotzt, von Langeweile, Schwermut, Einschlafgefahr, dämlichen Leuten, kranken Psychopathen, Soziopathischen Liebeshungrigen, Brüdern und Schriftstellerinnen, die im Leben nichts anderes zu tun haben, als die Atemluft zu analysieren um daraus ein Skript zu erstellen.

Dazu dann noch eben der arme, sehr gut von Cage gespielte Charlie, der versucht seiner Angebetenen AMELIE den Hof zu machen, aber an seiner Unzulänglichkeit, und Unerfahrenheit dem weiblichen Geschlecht über scheiterte, weil er sich nicht wie sein Bruder überwinden kann, seiner romantischen Inspiration zu folgen, der Dame des Herzens den Hof zu machen. Er lebt in einer Welt voller Bücher, und eigenen Vorstellungen von der Verwirklichung seines Skriptes.
CHARLIE schreibt hingebungsvoll, für die Cineastenwelt in einer Irrealen Filmwelt, das Drehbuch zu Being John Malcovich, und erntet nur Applaus, und seine anderen genialen Werke stehen in dem in nichts nach.
Allerdings glaubt CHARLIE ( Nicholas Cage) selbst nicht daran. Darum überwindet er auch seine Vorurteile gegenüber Drehbuchkursen, für Drehbuchschreiber, wo der Leiter versucht dem klatschenden Publikum beizubringen, seelenstarke Protagonisten zu erzeugen. Menschen verändern sich, die Welt verändert sich, CHARLIE kann nichts anfangen mit Genoziden in den Familien, mit Vernichtungsmaschinerien von Faschistischen Machhungrigen Despoten, und er will auch nicht einsehen, bevor er den Kurs besucht hat, das er gerade darüber schreiben sollte. Laut dem überteuerten Professor.

Eine Hollywoodgröße, namens VALERIE kommt, sie bittet CHARLIE um ein Kunstwerk, um die Verfilmung oder den Beginn der Verfilmung zu „ The Orchid Thief „ von „ SUSAN ORLEAN, einer Liebe zu einer Orchidee, zu der Geisterorchidee, die einer der seltensten Blumen und Orchideen aller Zeiten ist, so wie CHARLIE bald draufkommt. Und er stockt einfach, weil er nicht weiß wie er den Beginn setzen soll. Als Mahnmal das den Film leitet, oder einfach als Ruhepol das die Zuseher in schläfrige zombieähnliche Popcornfressende zahlende Kinobesucher macht. Letzteres klappt wundervoll vom Regisseur des Filmes.
Man kann oft nicht unterscheiden, und das muß ich honorieren, das die Grenze zwischen Fake, und Dokumentation sehr gering gehalten wurde.

Das Buch das CHARLIE wilden Herzens liest, versucht zu verstehen und in ein Drehbuch adaptieren will, bringt in bald zum scheitern, da es einfach nur eine Poetische Ansammlung von Romantischen Epilogen und Redewendungen über eine Orchidee ist, und über die Leidenschaft zu lieben. Sein Bruder hätte es können, DONALD, ist der richtige Draufgänger, vieles fällt ihm leicht, er sieht sein Leben nicht so wichtig, sondern eher den Spaß den er jetzt hat, und seine Talente sind viel breiter gesetzt als von Zwillingsbruder CHARLIE.Mehr anzeigen


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