Ganz normal verliebt USA 1999 – 129min.

Filmkritik

Juliette Lewis, leicht drehbuchbehindert

Filmkritik: Rafael Scholl

Garry Mashalls Film über die Emanzipationsgeschichte einer Behinderten bezieht sich oft auf den Film "The Graduate" (Die Reifeprüfung), mit dem Dustin Hoffman zum Star wurde. Die vielen Bezüge wirken sich hier fatal aus, denn sie rufen uns natürlich auch permanent Dustin Hoffman als Autisten in "Rain Man" in Erinnerung. Ein solcher Vergleich aber liesse die dramaturgischen Ungeschicktheiten von "The Other Sister" umso deutlicher hervortreten.

Der Autor und Regisseur Garry Mashall ("Pretty Woman") erzählt von der geistig leicht behinderten Carla Tate (Juliette Lewis), die nach Jahren in einer Spezialschule zu ihren reichen Eltern zurückkehrt. Carla will einen Beruf erlernen und ein möglichst normales Leben führen. Doch nur ihr Vater (Tom Skerritt) unterstützt sie. Ihre Mutter (Diane Keaton) hingegen will sie vor der grossen bösen Welt beschützen. Besonders vor Carlas Freund, dem ebenfalls geistig behinderten Daniel (Giovanni Ribisi).

Es sollte eigentlich unmöglich sein, diesen Film nicht zu mögen: Es geht um das Bestreben geistig behinderter Menschen, produktive Mitglieder der Gesellschaft zu sein, um eine Mutter und ihre drei Töchter, die ihre Konflikte endlich begraben möchten, und schliesslich darum, dass die Liebe auf jeden Fall ihren Weg finden wird. Es sind süsse Themen, und jede dieser kleinen Geschichten wurde mit einem entsprechend süssen Ende versehen.

Romantische Komödien enden immer glücklich. Die Qualität hängt also nicht vom Ende ab, sondern vom Weg, der zu diesem führt. Tatsächlich versteht sich der Film dem Genre der Romantischen Komödie zugehörig, vielleicht am besten veranschaulicht in der Werbezeile, die mit fragwürdiger Sensibilität eine "Geschichte für die romantisch Behinderten" verspricht. Nora Ephrons "You've Got Mail" z.B. führt uns mit einer natürlichen und originellen Erzählung zu diesem obligatorischen Happy End. «The Other Sister» hingegen gibt sich oft mit allzu schnellen und unkomplizierten Konfliktlösungen zufrieden, während die Handlung, eingepfercht in die Konventionen des Genres, kraftlos dem absehbaren Ende entgegen watet. Bewundernswert ist allenfalls die unbedingte Loyalität, mit der sich der Film an die bewährtesten Erzählformeln der Romantischen Komödie bindet.

Ein Kritiker meinte, die wirkliche Behinderte in "The Other Sister" sei nicht Carla, sondern ihre Mutter. Darin steckt viel Wahrheit, denn diese Mutter leidet wirklich, bloss auf eine etwas eigene, nicht immer sichtbare Art. Sie lebt in der Welt der Reichen und Schönen, und ihre Töchter passen nicht ganz ins Bild, dem die Familie entsprechen sollte. Ihre erste Tochter glaubt Elisabeth ohnehin verloren ("an overeducated underachiever"), zur zweiten hat sie keine Beziehung ("a lesbian workaholic"). Nun macht sie also Carla, die "andere Schwester", zu ihrem Projekt. Wenigstens eine Tochter will sie haben, die Tennis spielt, über Kunstkenntnisse verfügt, eine die vorführbar ist. Sie versucht, Carlas Leben zu kontrollieren, was unweigerlich zu Konflikten führt. Der Film lebt zu sehr auf Kosten dieser einen, uneinsichtigen Mutter. Das ist das Muster, nach dem die Episoden des Films abspulen, und das wirkt auf die Dauer ermüdend.

07.03.2022

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