Tarzan USA 1999 – 90min.

Filmkritik

Und ewig schwingt die Liane

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Es ist das Schicksal jedes berühmten Werkes der Weltliteratur, früher oder später zu einem Zeichentrickfilm verarbeitet zu werden. Nachdem Moses, Schneewittchen, die sieben Zwerge und Quasimodo schon abgehandelt wurden, steht jetzt der berühmteste Dschungelheld aller Zeiten auf Disney's Programm: Tarzan of the Apes.

Tarzan ist ein Filmveteran. In rund achtzig Spielfilmen und einem halben Dutzend TV-Serien stellte er die Hauptfigur und bringt es damit auf dem Podest der meistverfilmten Romanfiguren auf Rang zwei. Über Tarzan steht nur noch Graf Dracula. 1918 lieh der Dschungelmensch der ersten Stummfilmversion seinen Namen und 1998 der letzten Hollywoodproduktion. Kann eine Disney-Adaption überhaupt noch neues bieten?

Sie kann, indem sie die Vorteile des Trickfilms ausnützt und das Menschenunmögliche präsentiert. Tarzan 1999 bietet eine High-Speed-Version der altbekannten Geschichte vom Waisenkind, das von Affen aufgezogen wird. Was der Disney-Tarzan an Lianentricks vorführt, würde auch den abgebrühtesten Stuntman das Grausen lehren. In halsbrecherischem Tempo flitzt er über moosbewachsene Baumstämme, turnt akrobatisch durch die Schlingpflanzen und gleitet im freien Fall meterweit durch die Luft. Höhenangst oder Gravitation scheinen ihm Fremdwörter zu sein. Disney hat unverhohlen einen Seitenblick auf die Actionfilme Hollywoods gewagt und die Dschungelidylle mit wilden Verfolgungsjagden und Schiessereien gespickt.

Das Hauptaugenmerk gehört aber dem Familienleben Tarzans. Im Säuglingsalter wird der kleine John mit seinen Eltern nach einem Schiffsunglück an eine einsame Küste am Rande des Urwalds verschlagen. Die Gefahren des Dschungels lassen nicht lange auf sich warten. Der gefrässige Leopard Sabor zerfleischt die Eltern, lässt aber das Kind unbehelligt. Zum Dessert verspeist die Raubkatze noch ein Gorillababy, den einzigen Sohn von Gorillahäuptling Kerchak und seiner Frau Kala. Diese ist untröstlich über den Verlust, doch findet sie in dem haarlosen Kleinen neue Lebensfreude. Sie tauft ihn Tarzan und zieht ihn nach allen Regeln der Gorillakunst auf. Als Mensch unter Affen wird Tarzan allerdings nicht von allen Mitgliedern seiner Ziehfamilie respektiert. Doch erwacht in ihm bald der Ehrgeiz, der beste aller Affen zu werden.

Gut ein Drittel des Films wird aufgewendet, das Familienleben der Affen und Tarzans Heranwachsen darin zu beschreiben. So ausführlich hat sich noch kein anderer Film mit der Ersatzfamilie des Urwaldhelden beschäftigt. Die Vorgeschichte von Drehbuchautor Tab Murphy wird hier spürbar: Murphy war 1988 verantwortlich für das Drehbuch von Gorillas in the Mist.

Konkurrenz zur Gorillafamilie taucht in Form der stupsnasigen Jane Porter auf, die mit einem Expeditionsteam durch den Urwald stapft. Der schrullige Professor Porter, Jane's Vater, der aussieht wie Asterix' älterer Bruder, und der schiesswütige Scout Clayton, eine Mischung aus Clark Gable und Arnold Schwarzenegger, suchen nach Gorillas. Porter, um das Verhalten der Affen zu studieren und Clayton, um ihnen mit der doppelläufigen Flinte eine Ladung Schrot zu verpassen. Tarzan fällt in eine schwere Identitätskrise, als er sieht, dass diese Wesen ebenso haarlos sind wie er. Hin- und hergerissen zwischen der fremden Welt der Menschen und seiner geliebten Familie, muss er eine Entscheidung treffen.

Zeichentechnisch wartet der Film mit gewohnt professioneller Qualität auf. Vor allem die Dschungellandschaften werden stimmungsvoll in Szene gesetzt. Disney's Konzept der Tarzan-Adaption mit seiner Mischung aus Naturfilm, Familiendrama, Action und Komödie scheint aufgegangen zu sein. Bereits am ersten Wochenende spielte der Film in den USA 35 Millionen Dollar ein. Das macht "Tarzan" zum zweiterfolgreichsten abendfüllenden Disney-Film aller Zeiten. Der Herr des Dschungels wird nur noch vom König der Löwen übertrumpft.

31.05.2021

3

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