Sweet and Lowdown USA 1999 – 95min.

Filmkritik

Sweet and Lowdown

Filmkritik: Gerhard Schaufelberger

Aus Woody Allens Charakterschmiede kommt der fiktive Gitarrist Emmet Ray, verkörpert durch Sean Penn und an der Gitarre gedubbt durch Howard Alden. Berichtet wird von verschiedenen Leuten (zu denen Allen selbst zählt), die in Interviews vorgeben, Ray gekannt zu haben oder einen gekannt zu haben, der ihn kannte. Sie erzählen Widersprüchliches und Komisches über diesen Star, der keiner sein durfte:

Ein grosser Junge mit Schmalzlocke in zu grossen Hosen ist Emmet Ray (Sean Penn), der zweitbeste Gitarrist der swingenden Dreissiger. Der beste - Django Reinhardt - ist den meisten nur durchs Grammophon bekannt. Ray behauptet, er hätte mal Gelegenheit gehabt, Reinhardt spielen zu hören. Man munkelt, er sei in Ohnmacht gefallen vor dem grossen Meister, dem "Gipsy aus Frankreich", wie er ihn ehrfürchtig nennt, und hätte ihn drum nie gehört. Sitzt er nicht auf einer Bühne, so säuft und spielt Ray, kifft und bumst sich blindlings durchs Leben, - "... ich bin eben ein Künstler!" Er lässt Mädchen auf den Strich gehn und verteilt Visitenkarten an die Freier, mag schöne Autos, ist kleptoman und träumt davon, auf einem Mond sitzend auf die Bühne herab zu schweben, während seine Band zu spielen beginnt...

Ray ist mit seinem Kumpel in Chicago auf Frauenjagd, als er die Wäscherin Hattie (Samantha Morton) kennenlernt. Diese ist stumm und geht mit ihm Ratten schiessen an der Schutthalde, den Zügen zuschauen und ins Bett, wo sie eine Wucht ist und gerade so rund, wie es Ray gern hat. Hattie kratzt an der Schale von Rays emotionaler Verschlagenheit, aber der hartgesottene Macho lässt sie nach einem Jahr sitzen mit $500, um gleich der schönen Blanche (Uma Thurman) zu verfallen. Doch für die Bohémienne ist Emmet Ray nur ein interessanter Kasus, ein "extremes Phänomen", und sie mag solche, wie eben auch den Schläger und Killer Al Torrio (Anthony LaPaglia), von dem sie sich mit Leichtigkeit rumkriegen lässt, denn sie muss unbedingt wissen, wie es ist, jemanden zu töten. Ray bekommt Wind von der Affäre und verstrickt sich in einen lächerlichen Racheplot. Von Blanche getrennt kommt er reuevoll zurück zu Hattie, doch diese ist nun verheiratet...

Sean Penn (Dead Man Walking) überzeugt als Macho wie als kindisch-tragischer Sonderling durchaus. Dabei fällt kaum ins Gewicht, dass sein Gitarrenspiel ganz offensichtlich nicht echt ist. Schelmen-Charme und Grobheit halten sich beinah die Waage, so dass man ihn nie ganz hasst, aber auch nicht so richtig lieb gewinnt. Eigentlich ganz klar, dass so ein Mensch kein Superstar werden konnte... Rührend, aber niemals kitschig gibt Samantha Morton die Stumme; Perfekter Gegensatz, Uma Thurman (Pulp Fiction, Henry & June) steht die gestelzt analysierende Dame, unter deren dünner Fassade von Ernst und Reife sich eine stets nehmende, gnadenlose Person verbirgt.

Dass Woody Allen ein Meister des Dialogs und der Vorspiegelung ist, braucht wohl nicht betont zu werden. 16 Jahre nach seinem Meisterstück Zelig ist "Sweet and Lowdown" aber schon um der Musik willen sehens- und hörenswert (arrangiert von Allens bewährtem Musikus Dick Hyman). Der atmosphärisch inszenierte "Mockumentary" glänzt mit entzückenden Innenaufnahmen (zum ersten Mal hinter der Kamera mit Allen: Fei Zhao, doch unverkennbar mit dem "Allenschen Magenta-Stich", den wir z.B. aus Manhattan Murder Mystery oder Husbands and Wives kennen). Die Lebhaftigkeit der Story und deren durch "echte" Erzähler zuweilen verblüffend glaubhaft gemachte, witzig-dialektische Annäherung an eine fiktive Musiker-Realität zeugt von der grossen Liebe des Filmemachers zum Jazz und dessen Geschichte, aber auch von Allens Hang zur psychologischen Assemblage.

17.02.2021

4

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