The Interview Australien 1998 – 101min.

Filmkritik

Die dunkle Seite Australiens

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Kein harmloses Frage- und Antwortspiel, sondern die Technik des Eindringens in einen fremden Geist demonstriert "The Interview" am praktischen Beispiel. Der australische Düsterkrimi zeigt eigentlich nur ein Verhör. Doch die Suche nach der Wahrheit führt in Sackgassen und Abgründe.

Jemand muss Eddie Fleming verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wird er eines morgens verhaftet. Anders als in Kafkas "Prozess" klopfen die Polizisten aber nicht höflich an die Wohnungstür, sondern treten diese gleich ein. Mit der Schrotflinte am Kopf und Handschellen um die Gelenke wird Fleming (Hugo Weaving) um fünf Uhr morgens auf die Polizeistation gebracht und in eine finstere Verhörzelle geworfen. Dort erwartet ihn sein Gesprächspartner, Detective John Steele (Tony Martin). Die Interessen der beiden Männer sind sehr unterschiedlich: Fleming versucht herauszufinden, aus welchem Grund er hierhergebracht wurde und nicht einmal etwas zu essen bekommt; Steele setzt alles daran, Fleming ein Verbrechen nachzuweisen, um seine eigene Karriere zu retten. Jeder versucht, den anderen zu durchschauen. Es entbrennt ein subtiler Krieg um Information, denn Wissen bedeutet Macht über das Gegenüber. Als der verschüchterte Fleming Zug um Zug die Regeln dieses gefährlichen Spiels begreift, wendet sich das Blatt.

Der australische Regisseur Craig Monahan ging der Frage nach, wie ein Mensch reagiert, wenn er plötzlich aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und in eine fremde Welt mit undurchschaubaren Regeln versetzt wird. Weit weg weg von allen Hollywood-Klischees inszeniert Monahan mit sparsamen Mitteln einen packenden Film. Die klaustrophobische Atmosphäre des Verhörzimmers spiegelt die Anspannung, den Druck und Stress, der auf allen Beteiligten lastet. Daraus befreien kann sich niemand, die Kamera verlässt die Zelle nur, wenn Detective Steele in seinem Büro nach neuen Informationen sucht, die er als Munition gegen Fleming verschiessen kann. Aus dieser Welt ist alle Farbe abgesogen worden, Monahan erschafft eine fast morbide Szenerie um seine Hauptfiguren. Einzig Rückblenden und Esswaren werden in üppigen Farben gezeigt. Im ästhetischen Wechsel von Licht und Dunkelheit verschwimmt der Begriff der Wahrheit immer mehr zu einem diffusen Grau. In den düsteren Kulissen verbergen sich die wahren Absichten der Personen.

Die Zuschauer werden behandelt wie Eddie Fleming. Nur häppchenweise erhalten sie neue Informationen. Aus diesen muss sich jeder sein Bild über die Charaktere selbst zusammenreimen. Sympathien geraten ins Schleudern, wendet sich in Argwohn. Wem kann man trauen in diesem Katz- und Mausspiel? Ist die Maus am Ende ein Wolf im Schafspelz, und warum wird die Katze selbst von den Hunden gejagt? Schicht für Schicht enthüllen sich mehr Intrigen, Winkelzüge und verborgene Machtspiele. Schuld und Unschuld lassen sich nicht mehr unterscheiden.

Der Australier Hugo Weaving glänzt in der Rolle des leicht schmuddeligen Arbeitslosen Eddie Fleming. Vor kurzem machte Weaving als Agent mit Sonnenbrille in The Matrix Keanu Reeves das virtuelle Leben schwer. In "The Interview" pendelt er zwischen den Rollen des unschuldigen Justizopfer und des eiskalten Serienmörders und wirkt in beiden plausibel. Regisseur Monahan setzte bei Schauspielern und Schauplätzen voll auf Australien. Dem Film wurden dafür von australischen und kanadischen Filmfestivals zahlreiche Preise verliehen. Ein Film, der ohne Schiessereien, schöne Frauen und Special Effects hundert Minuten lang in Atem hält, verdient solche Anerkennung tatsächlich.

19.02.2021

4

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Kommentare

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celta

vor 20 Jahren

Zu wahr.....


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