Artikel18. Juli 2023

«Yellowstone»-Showrunner und Drehbuchwunderkind: Der umtriebige Taylor Sheridan

«Yellowstone»-Showrunner und Drehbuchwunderkind: Der umtriebige Taylor Sheridan
© Lorey Sebastian

Erfolgreiche Serien-Produzenten gibt es viele, aber kaum einen, der wie Taylor Sheridan an vorderster Front steht, wenn es darum geht, Drehbücher zu schreiben. Sheridan ist ein Arbeitstier und schreibt den Grossteil seiner Serien selbst. Wir haben uns das Leben und Schaffen des erfolgreichen Showrunners genauer angeschaut.

von Peter Osteried

Gerade wurden die Nominierungen für die 75. Verleihung der Primetime Emmy Awards bekannt gegeben. Es ist fast schon normal geworden, dass Taylor Sheridans Serien dabei weitestgehend ignoriert werden. In den vergangenen Jahren gab es nur eine Handvoll Nominierungen für «Yellowstone» und das erste Spin-off «1883» – und das auch nur in den technischen Kategorien. Eine technische Nominierung, die beste Stunt-Choreographie, gibt es dieses Jahr für die von Sheridan entwickelte Show «Tulsa King» mit Sylvester Stallone.

Mittlerweile ist es offenkundig, dass Sheridans Serien in Sachen Auszeichnungen grösstenteils übergangen werden, und das, obwohl sie immens erfolgreich sind. Vom Hollywood Reporter gefragt, tat Sheridan diese Missachtung einfach ab und erklärte, ihm sei es wichtiger, seine Serien hätten etwas auszusagen und würden ihr Publikum erreichen. Ein beherztes «You can keep your fucking award» klingt aber schon ein klein wenig verbittert.

Kevin Costner in «Yellowstone» © IMDb

Denn Sheridan ist jemand, den es im Seriengeschäft nur selten gibt. Ein Showrunner, der weitestgehend alle Episoden selbst schreibt. Bei «Mayor of Kingstown» hat er die komplette erste Staffel geschrieben, bei der zweiten dann “nur” noch die ersten beiden Folgen. Für «Yellowstone» hat er alle 47 Folgen der fünf Staffeln, bei «1883» und «1923» alle Folgen der ersten beiden Staffeln geschrieben.

Ein derartiger Output ist bemerkenswert und fast einzigartig. Normalerweise werden Serien mit Autorenteams umgesetzt. Gemeinsam werden die Geschichten entwickelt und der Showrunner lenkt in die richtige Richtung. Fälle, in denen ein einzelner Mensch (fast) alles selbst gemacht hat, sind selten. Die wenigen Ausnahmen sind J. Michael Straczynski, der fast 100 Folgen seiner Science-Fiction-Serie «Babylon 5» geschrieben hat, was in den 90er-Jahren völlig beispiellos war, und Michael Hirst, der alle 90 Folgen von «Vikings» verfasst hat. Taylor Sheridan spielt dennoch in seiner eigenen Liga. Da er nicht nur all diese Drehbücher geschrieben hat, sondern diese und weitere Serien produziert und bisweilen auch noch vor der Kamera steht.

Das erste Leben des Taylor Sheridan

Taylor Sheridan in «Yellowstone» © IMDb

Der 1969 in North Carolina geborene Sheridan wollte eigentlich Schauspieler werden. Er begann seine Karriere im Jahr 1995 mit einer Gastrolle in der Serie «Walker, Texas Ranger». Erfolgreich war er damit aber nicht. Er war mal hier, mal da in einer Serien-Episode als Gaststar dabei, aber es war ein zähes Leben – und keines, mit dem er sich hätte ernähren können.

Seiner schauspielerischen Passion frönt er nun in eigenen Projekten. So war er in acht Folgen von «Yellowstone» in der Rolle des Travis Wheatley und im Prequel «1883» in zwei Folgen als Charles Goodnight zu sehen. In erster Linie ist er jetzt aber anderweitig beschäftigt. Denn Sheridan erkannte, dass er durchaus Talent zum Schreiben hatte. Daraus entwickelte sich seine zweite Karriere – als Drehbuchautor.

Drehbuchschreiben fürs Kino

Emily Blunt in «Sicario» © Impuls Pictures

Das Debüt als Autor war durchaus elektrisierend. Sheridan schrieb das Skript für Denis Villeneuves «Sicario», einen Action-Thriller, der an der amerikanisch-mexikanischen Grenze spielt. Was Sheridan hier bereits zeigt: Er hat ein Faible für Western. Aber er erzählt keine klassischen Westerngeschichten, sondern transportiert die narrativen Themen des Genres in die Moderne.

Das tat er dann auch bei «Hell or High Water», «Wind River» und «Sicario 2». Danach kam schon der Serienerfolg, und eine veränderte Form seiner filmischen Erzählungen, denn weder «Tom Clancy’s Gnadenlos» noch «They Want Me Dead» waren Hits oder folgten Sheridans Western-Vorliebe. Dem frönte er erst richtig, als er aufs Fernsehen umsattelte.

Ein eigenes Franchise

Kelly Reilly und Cole Hauser in «Yellowstone» © 2019 - Paramount Network

«Yellowstone» mit Kevin Costner in der Hauptrolle eines Patriarchen, der sich immer wieder Versuchen gegenübersieht, dass man sein Land stehlen will, debütierte im Jahr 2018. Die Kritiken der ersten Staffel waren alles andere als prickelnd. Aber die Zuschauer waren da. Und noch wichtiger: Sheridan war da. Er war, was man in den USA “hands-on” nennt, in jede Etappe der Produktion involviert und ganz seiner eigenen Vision folgend. Damit hatte er Erfolg, denn die Show fand ihr Publikum. Wichtiger noch: Der Efolg wuchs an, und die Kritiken schwenkten um, denn was anfangs wie eine moderne Version von «Dallas» gewirkt haben mochte, wurde zu einer epischen Neo-Western-Erzählung mit ambivalenten Figuren. Kurz gesagt: «Yellowstone» explodierte.

Das machte Sheridan endgültig zum Autorenstar, der nun nicht nur zwei Prequels produziert hat, von denen eines in die zweite Staffel (und wohl darüber hinaus) geht, sondern auch ein Sequel bekommt. Dies war eine Notwendigkeit, da Kevin Costner nach fünf Staffeln ausgestiegen ist. Eine neue Serie soll die Geschichte fortsetzen, wohl mit Matthew McConaughey in der Hauptrolle.

Sheridan konzentriert sich aber nicht nur auf sein «Yellowstone»-Universum. Mit «Mayor of Kingstown» mit seinem «Wind River»-Star Jeremy Renner hat er eine weitere Erfolgsserie erschaffen.

Sylvester Stallone in «Tulsa King» © 2022 Viacom International Inc.

Danach folgte «Tulsa King», die Sheridan entwickelt, aber bei der er nur die erste Folge geschrieben hat. Die Serie mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle entstand praktisch über Nacht. Sheridans Produktionspartner David Glasser erwähnte eines Freitagabends im Jahr 2021, dass Stallone schon immer einen Gangster spielen wollte. «Taylor begann daraufhin, innerhalb einer Stunde die Idee einer Fisch-auf-dem-Trockenen-Geschichte zu gestalten. Am nächsten Tag um 16 Uhr schrieb er mir dann, dass ich meine Inbox checken sollte. Und da war es: Das Skript zur Pilotfolge der Serie. Es war unglaublich.»

Das Duo stellte die Idee Stallone am darauffolgenden Montag vor. Danach wandte man sich an den Emmy-Gewinner Terence Winter, um als Showrunner für das Projekt zu fungieren. Winter erklärte später, dass sich Sheridan nur einmal mit ihm getroffen hatte: «Dann sagte er: Es ist jetzt dein Baby, ich habe nur Besuchsrechte.» Mittlerweile ist es nicht mehr Winters Baby – die berühmten kreativen Differenzen. Ein anderer Showrunner wird übernehmen, Sheridan aber weiter nur Produzent bleiben.

Noch nicht genug zu tun

Harrison Ford und Helen Mirren in «1923» © 2022 Viacom International Inc. All Rights Reserved.

Sheridan hat vier aktive Serien in Produktion, aber das reicht ihm nicht. Seine Projekte ziehen auch die ganz grossen Stars an. In «1923» spielen Harrison Ford und Helen Mirren mit, in «1883» ist es Sam Elliott und in der kommenden Show «Special Ops: Lioness» spielen Zoe Saldana und Nicole Kidman. Die Serie erzählt von einer CIA-Agentin und ihrem Kampf gegen den Terror. Sie wurde von Sheridan entwickelt, wie viele Drehbücher der ersten Staffel er selbst geschrieben hat, muss sich erst noch zeigen.

Weiter stehen an: das «Yellowstone»-Spin-off «6666» über eine Pferde-Ranch in West Texas, das «Yellowstone»-Sequel und die Serie «Land Man», eine Geschichte übers Öl-Geschäft in West Texas. Die Hauptrolle spielt Billy Bob Thornton. Ausserdem fand Sheridan noch die Zeit, das Drehbuch zum Film «Fast» zu schreiben. Hier geht es um einen Special-Forces-Officer, der es mit Drogendealern aufnimmt, die von der CIA geschützt werden. Als Produzent betreut Sheridan zudem noch die Miniserie «Bass Reeves» über den ersten schwarzen Marshal der US-Historie. Der wird von David Oyelowo gespielt. Ausserdem ist Dennis Quaid dabei.

Wie Sheridan das alles unter einen Hut bekommt? Er ist dafür bekannt, sich häufiger mal zu isolieren und sich ganz und gar darauf zu konzentrieren, neue Geschichten zu schreiben. Das geschieht dann auch in Windeseile. Taylor Sheridan ist ein echter Workaholic. Nutzniesser ist das Publikum, denn Sheridan hat im Lauf weniger Jahre nicht nur ein «Yellowstone»-Franchise aufgebaut, sondern ein Gesamtwerk erschaffen, das auch und besonders dadurch geprägt ist, dass der Autor den Western modernisiert hat – ein Genre, das weitestgehend als tot und begraben galt, das in Sheridans Händen und seinem Gespür für Modernisierung jedoch echtes Serien-Gold ist.

Taylor Sheridans neuste Serie «Special Ops: Lioness» startet am 23. Juli bei Paramount+

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