Kritik5. September 2023

Venedig 2023: «Evil does not exist»: Minimalistisches japanisches Kino mit ganz grosser Wirkung

Venedig 2023: «Evil does not exist»: Minimalistisches japanisches Kino mit ganz grosser Wirkung
© IMDb

Viele Filmschaffende werden wohl mit derselben Frage konfrontiert: Wie, und mit welchen Mitteln, angelt man sich am besten die Aufmerksamkeit und Neugier des Publikums? In vielen Fällen mit grossen Namen, Hochglanzbildern oder Big Budgets – es sind nur drei Beispiele unter vielen. «Evil does not exist» zeigt auf eindrucksvolle Art, dass es auch ganz anders geht.

«Evil does not exist»: Minimalistisches japanisches Kino mit ganz grosser Wirkung

Ryûsuke Hamaguchi | 106 min.

Ein Text von Michael Gasch

Hana (Ayaka Shibutani) lebt mit ihrem Vater im ländlichen Japan ein unspektakuläres, aber friedliches Leben. Der Frieden des kleinen Dorfes wird eines Tages bedroht, als ein Unternehmen in unmittelbarer Nähe des Dorfes Baupläne verwirklichen will. Da die Bewohner mit einem schwerwiegenden Eingriff in ihr Umfeld rechnen, scheint die Harmonie zwischen Mensch und Natur auf Messers Schneide zu stehen.

Entschleunigtes Kino ist beileibe keine neue Erfindung, wie es unter anderem «Pacifiction» aus dem letzten Jahr zuletzt zeigte. Im Gegensatz zu grossen Blockbustern und viel filmischen Spektakel kann der Geist hier zur Ruhe kommen. «Evil does not exist» erfüllt dabei viele Kriterien, um in die Kategorie des langsamen Genre-Kinos zu fallen: Aufnahmen von Wäldern ziehen sich mitunter minutenlang hin, Schnitte werden hingegen rar eingesetzt. Musikalische Streicher kommen hinzu, die in Verbindung mit den naturalistischen Aufnahmen eine gelungene, entschleunigende Wirkung erzielen.

Hinzu kommt eine sich langsam entfaltende Geschichte, die den anbahnenden Konflikt zwischen den Bewohnern und dem profitorientierten Unternehmen in den Mittelpunkt rückt. Da die Komponente des moralischen Appells sich in Zaum hält, ist es jedoch nicht so einfach und wäre unfair, wenn man den Film auf das typische Motiv "Arm gegen reich" reduziert.

Die Figuren, die Regisseur Ryūsuke Hamaguchi («Drive my Car») einfängt, fallen zu komplex aus, um solche Verallgemeinerungen vornehmen zu können. Es handelt sich um ein einfach gestricktes Dörfchen und doch bieten die Bewohner sehr viel Weisheit über das Leben und Themen wie Glückseligkeit. Um an den Anfang anzuknüpfen – auch wenn die filmischen Mittel recht minimalistisch ausfallen, weiss Hamaguchi viel cineastische Wirkung herauszuziehen. Das Resultat ist ein gelungenes Portrait über die Einfachheit des Lebens und dass es metaphorisch gesprochen schon ausreicht, die Augen ein Stück weiter zu öffnen.

4 von 5 ★

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