Artikel25. Juli 2023

Hollywood streikt - Wenn Kapitalismus, Entertainment und Gewerkschaften aufeinanderprallen | Teil 2

Hollywood streikt - Wenn Kapitalismus, Entertainment und Gewerkschaften aufeinanderprallen | Teil 2
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Die Schauspieler und Drehbuchautoren in Hollywood wollen mehr Geld und mehr Rechte. Anstatt sich in der Maske für einen Drehtag bereit zu machen, marschieren die Schauspieler nun vor den Film- und TV-Studios auf der Streiklinie und legen damit die amerikanische Film- und Fernsehproduktion beinahe völlig lahm. Was wollen Hollywoods Filmemacher erreichen und was bedeutet dieser Streik für die Filmfestivals im Herbst, die Awards Saison im Winter und unser aller Konsum dieser Hollywood Produkte?

Von Gabriela Tscharner Patao

Die Allianz von Film- und TV-Produzenten AMPTP kontert

Letzte Woche setzte sich Disneys CEO Bob Iger ins Fettnäpfchen, als er die Forderungen der streikenden Autoren und Schauspieler dem TV-Sender CNBC gegenüber als «schlichtweg nicht realistisch» bezeichnete. «Sie kreieren zusätzliche Herausforderungen für unsere Industrie, die ehrlich gesagt sehr störend sind.» Im November letzten Jahres wurde Iger nach zweijähriger Abwesenheit von Disney für ein Basissalär von 1 Million Franken, plus einem potenziellen jährlichen Bonus von 5 Millionen Franken wieder angeheuert. Der Vertrag schliesst aber auch Gewinne aus Disney Aktien im Wert von 25 Millionen Franken mit ein.

Disneys CEO Bob Iger trat ins Fettnäpfchen, als er die Forderungen der streikenden Autoren und Schauspieler als «schlichtweg nicht realistisch» bezeichnete.– Gabriela Tscharner Patao

Zur AMPTP gehören auch die zwei Netflix CEOs Ted Sarandos und Greg Peters, die, laut den Steuerunterlagen der Firma, letztes Jahr um die 50 Millionen und 28 Millionen Franken verdient haben sollen und die jährlichen Einkünfte des Warner Bros. CEOs David Zaslav sollen sich um die 39 Millionen Franken bewegen. Ob das vor oder nach Abzug der Steuern ist, weiss niemand genau.

CNN gegenüber sagte ein Vertreter der AMPTP, die Organisation sei «sehr enttäuscht» mit der Entscheidung der Gewerkschaften, zu streiken. «Anstatt zu verhandeln, hat SAG-AFTRA einen Kurs eingeschlagen, der für Tausende, die von dieser Industrie leben, finanzielle Not bedeuten wird.»

Die Auswirkungen des Streiks

Die ersten, die die Auswirklungen des Autoren- und Schauspielerstreiks zu spüren kriegen werden, sind die Filmfestivals dieses Sommers. Nachdem Luca Guadagninos neuer Film «Challengers» aus dem Programm des Filmfestivals von Venedig, das vom 30.8. bis 7.9. in der Lagunenstadt stattfinden wird, genommen wurde, damit seine Stars wie Zendaya keine Streikbrecher werden müssen, bereitet sich der Präsident Alberto Barbera darauf vor, ein Pan-Europäisches Festival zu werden. «Der asiatische Film hat sich zwar von der Pandemie sehr gut erholt, aber wenn die Amerikaner nicht kommen, werden wir uns auf europäische Filme konzentrieren. Wir sind für alles bereit und halten nichts für selbstverständlich», sagte Barbera dem Hollywood Reporter gegenüber.

Die ersten, die die Auswirklungen des Autoren- und Schauspielerstreiks zu spüren kriegen werden, sind die Filmfestivals dieses Sommers.– Gabriela Tscharner Patao

Auch Toronto bereitet sich darauf vor, dass nur eine limitierte Anzahl amerikanischer Stars am Internationalen Filmfestival TIFF vom 7. bis 17. September teilnehmen werden, denn niemand glaubt, dass der Disput in Hollywood bis dann beigelegt sein wird. Christian Jungen vom Filmfestival Zürich hat sich kürzlich in einem Interview mit dem Tages Anzeiger noch optimistisch gezeigt, dass der Hollywood Streik vor Beginn des ZFF am 28. September vorbei sein könnte. Aber, der Autorenstreik im Jahre 2007 hat 100 Tage gedauert und der letzte kombinierte Streik der Autoren und Schauspieler vor 60 Jahren hielt sogar 148 Tage an. Inzwischen gibt es wohl auch beim ZFF einen Plan B.

Der letzte Autorenstreik im Jahr 2007 hat die Wirtschaft damals 2 Milliarden Franken gekostet, wie Kevin Klowden, der Chefstratege für internationale Wirtschaft am Milken Institute gegenüber CNN sagte: «Die Kombination des Autoren- und Schauspielerstreiks könnte der Wirtschaft mehr als 4 Milliarden Franken Schaden zufügen und das nicht nur in den USA. London und das Vereinigte Königreich, Australien oder Neuseeland, wo immer Hollywood Filme dreht oder nachbearbeitet, werden alle die Auswirkungen spüren.»

Welche Filme sind betroffen?

Einige Filme, die im August in die Kinos hätten kommen sollen, wurden wegen des Strikes verschoben. «Problemista» von Regiesseur Julio Torres mit Tilda Swinton in der Hauptrolle hätte am 24. August anlaufen sollen, ist jetzt aber auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Und der neue Film «White Bird» des schweizer Regisseurs Marc Forster wurde vom 18. August auf ein späteres Datum verschoben.

Die Dreharbeiten zu Filmen, die nächstes Jahr in die Kinos kommen sollten, sind ebenfalls vom Streik betroffen. «Beetlejuice 2», die Fortsetzung zu Tim Burtons Kultklassiker mit Michael Keaton und Winona Ryder, hatte gerade mit den Dreharbeiten in Vermont begonnen, als der SAG-AFTRA Streik ausbrach und deshalb wurden sie einstellt. Und obwohl soeben ein Foto von Hugh Jackman im gelben Wolverine Kostüm veröffentlicht wurde, mussten auch die Dreharbeiten zu «Deadpool 3» pausieren und weitere Marvel Filme wie «Blade» und «Thurnderbolts» mussten die Zelte abbrechen, als die Autoren in einen Streik traten.

Hugh Jackman im gelben Wolverine Kostüm.
Hugh Jackman im gelben Wolverine Kostüm. © Marvel Studios

Auch die Dreharbeiten zu «Wicked» in England mussten dicht machen. «Wir waren nur ein paar Tage vom Abschluss der Dreharbeiten entfernt», schrieb Regisseur Jon M. Chu, der das Musical mit Ariana Grande und Cynthia Erivo in den Hauptrollen verfilmt, in einer seiner Instagram Stories. «Es war sehr schmerzhaft, so kurz vor dem Ende einen Halt einlegen zu müssen, aber wir kommen zurück und werden den Film beenden, wenn die Zeit dafür reif ist.» Chu glaubt nicht, dass das Startdatum des Films im Winter 2024 gefährdet ist.

Wie beeinflusst der Streik in Hollywood die Schweizer Filmlandschaft?

Wie der Streik in Hollywood die Filmlandschaft in der Schweiz beeinflussen wird, ist schwer zu sagen. Auf unsere Anfrage haben wir vom Schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih ProCinema und dem schweizer Verleiher der Disney Studios keine Stellungnahme erhalten und die schweizer Abteilung von NBC Universal kann auf lokaler Ebene keine Aussage machen, wir sind aber höflich für ein generelles Statement zur Situation an die US-Pressestelle in Los Angeles verwiesen worden.

Während die grossen Studioproduktionen pausieren müssen, haben sich einige unabhängige Filme bereit erklärt, den SAG-AFTRA Auflagen während des Streiks zu folgen und haben von der Gewerkschaft Erlaubnis erhalten, weiterdrehen zu können. Das schliesst Anne Hathaways neuen A24 Film und «The Killer's Game» von Lionsgate mit ein. Vergessen wir nicht, dass der grosse Gewinner der letztjährigen Award Saison der unabhängige A24 Film «Everything Everywhere all at Once» war.

Und wie wird alles enden?

Der Streik endet, wenn die Studios und die Gewerkschaften sich auf einen neuen Vertrag einigen können und die Mehrheit der Mitglieder der beiden Gewerkschaften SAG-AFTRA und der Writer's Guild WGA den neuen Vertrag ratifizieren.

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