Artikel1. Juni 2022

Filmtagebuch: Hinter den Kulissen – Hollywood im Film

Filmtagebuch: Hinter den Kulissen – Hollywood im Film
© Netflix

Als Traumfabrik gehört Hollywood, der US-amerikanischen Filmindustrie, ein fester Platz in der globalen Popkultur. Bilder, Geschichten und Stars haben sich dem Publikum über die Jahrzehnte eingebrannt und bestimmen manchmal sogar, wie wir über die Welt, in der wir leben, denken. Seit der Frühzeit des Kinos wagen Regisseure, Autoren und Produzenten auch den Blick auf die eigene Branche, ihre Verlockungen, Freuden und Schattenseiten. Zu Tage tritt dabei nicht selten ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und ein skrupelloses System, das Menschen komplett verschlingen kann. Wir stellen euch einige Filme und eine Serie vor, die Selbstbeschau betreiben.

Artikel von Christopher Diekhaus und Michelle Knoblauch

«Mulholland Drive» (2001)

Eine der ungewöhnlichsten Arbeiten über die US-amerikanische Filmindustrie, ihren Glamour und ihre Abgründe stammt von Regieexzentriker David Lynch, der seit seinen Anfängen für surreale, verrätselte, mit Erzählkonventionen brechende Werke bekannt ist. «Mulholland Drive» dreht sich um Betty Elms (Naomi Watts), der eine Schauspielkarriere vorschwebt und die kurz nach ihrer Ankunft in Los Angeles eine unter Amnesie leidende junge Frau (Laura Harring) kennenlernt.

Von dieser noch recht gewöhnlichen Grundidee entwickelt sich der Film schnell zu einem albtraumhaften Verwirrspiel, das auch andere mit Hollywood in Verbindung stehende Figuren beleuchtet. Hinter jeder Geste, jedem Wort scheint eine tiefere Bedeutung zu lauern. Logisch fassbar ist der horrorartige Thriller allerdings nicht, selbst wenn Lynch mehrere kryptische Hinweise gegeben hat, die angeblich eine klare Entschlüsselung ermöglichen. So oder so ist es faszinierend, wie der kreative Kopf aus unheilvollen Zeichen, plötzlichen Identitätswechseln, bekannten Popkulturmotiven und Vorstellungen über die Kinobranche eine Stimmung der permanenten Bedrohung erzeugt. «Mulholland Drive» muss man nicht verstehen, sondern einfach nur erleben!

Laura Harring und Melissa George in «Mulholland Drive» (2001)© Frenetic Films

Hier geht's zur Filmkritik von «Mulholland Drive» – 4 von 5 ★

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«Maps to the Stars» (2014)

Seine eigenwilligen, Grenzen sprengenden Filme drehte der Kanadier David Cronenberg seit seinem Einstieg in die Branche eigentlich immer abseits Hollywoods. Mit «Maps to the Stars» lieferte er 2014 schliesslich eine beissende Satire über das US-Kinobusiness und seine von Neurosen zerfressenen Protagonisten ab.

Im Zentrum der Handlung steht die junge, frisch aus der Psychiatrie entlassene Agatha Weiss (Mia Wasikowska), die nach Los Angeles kommt und einen Assistenzjob bei der alternden, um Anerkennung ringenden Schauspielerin Havana Segrand (Julianne Moore) ergattert. Agathas Familie hat derweil alle Hände voll damit zu tun, die neuesten Eskapaden ihres kleinen Bruders Benjie (Evan Bird), eines drogenerprobten Kinderstars, zu bereinigen.

Keine Frage, das Drehbuch aus der Feder Bruce Wagners fährt eine Parade an stereotypen Figuren auf und arbeitet sich am schon oft verhandelten Narzissmus Hollywoods ab. Immer wieder setzt er in den Dialogen und im Verhalten der Charaktere aber herrlich böse und amüsante Akzente. Zu einer packenden, gefährlich brodelnden Reflexion über Schein und Sein, Mitgefühl und Niedertracht, verdrängte Ängste wird «Maps to the Stars» letztlich dank Cronenbergs atmosphärischer Inszenierung, die stellenweise fast schon Spukfilmcharakter annimmt.

John Cusack, David Cronenberg, und Olivia Williams in Maps to the Stars (2014)© Pathé Films

Hier geht's zur Filmkritik von «Maps to the Stars» – 4 von 5 ★

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«Hollywood» (2020)

Die Vorstellung Hollywoods als Sündenpfuhl wird in der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielenden Miniserie «Hollywood» mit grosser Lust bedient. Sexgeschichten nehmen in der von Ryan Murphy und Ian Brennan erdachten Netflix-Produktion nicht gerade wenig Raum ein und stellen die Verlogenheit der sich nach aussen anständig und moralisch gebenden Filmindustrie schonungslos aus.

Am Beispiel der aufstrebenden Protagonisten, die sich als Darsteller, Autoren oder Regisseure einen Namen machen wollen, arbeitet «Hollywood» zudem heraus, wie stark Rassismus und Homophobie in der Branche verankert sind. Reale Persönlichkeiten treffen auf fiktive Figuren, unzählige Klatschstorys finden Eingang in die Handlung, und am Ende ihrer opulenten, märchenhaft eingefärbten, mit reichlich Retroflair aufgepeppten Serie präsentieren uns Murphy und Brennan eine alternative, gerechtere und diversere Vision Hollywoods, an die zum Zeitpunkt der Handlung nicht zu denken war. Bleibt nur die Frage: Hat sich heute wirklich so viel geändert, wie manchmal behauptet wird?

© Netflix

«Hollywood» – 4 von 5 ★

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«Mank» (2020)

Vielen Cineasten und Kritikern gilt «Citizen Kane» (1941) als bester Film aller Zeiten. Um die konfliktreiche Entstehung dieses Meisterwerks geht es in David Finchers Netflix-Biopic «Mank», das beschreibt, wie der von einem Unfall gezeichnete, alkoholabhängige Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman) die Vorlage zu Orson Welles‘ (Tom Burke) berühmtem Drama über einen fiktiven Medienmagnaten verfasst.

Unstimmigkeiten mit dem Regisseur über die finale Urheberschaft sind ebenso Thema der Handlung wie Hermans in Rückblenden rekonstruierter Weg nach Hollywood, der ihn in den Kreis einflussreicher Männer führt. In betörenden Schwarz-Weiss-Bildern entwirft Fincher ein facettenreiches, sich ab und an kleine Freiheiten nehmendes Porträt des US-amerikanischen Studiosystems und blickt dabei vor allem auf die Machtstrukturen innerhalb der Branche.

Spannend ist «Mank» nicht nur, weil wir uns auf eine filmhistorische Reise begeben. Relevanz besitzt das Biopic auch, da es in der Konfrontation zwischen Mankiewicz und dem konservativ-populistischen US-Verleger William Randolph Hearst (Charles Dance), der die Titelfigur von «Citizen Kane» inspirierte, politische Töne anschlägt. Fake News und Manipulationen besitzen schon damals eine zerstörerische Kraft.

Amanda Seyfried in «Mank» (2020)© Netflix

Hier geht's zur Filmkritik von «Mank» – 5 von 5 ★

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«La La Land» (2016)

Mia (Emma Stone) arbeitet als Barista und träumt von einer Schauspielkarriere. Sebastian (Ryan Gosling) brennt für den Jazz und möchte seinen eigenen Club betreiben. Die beiden werden ein Paar unter dem sommerabendlichen Himmel von Los Angeles. Nun soll gemeinsam der Erfolg erhascht werden, der so oft nicht den pursten Glücksrittern zufällt, sondern den verbiegungsfreudigsten.

Kompromisslosigkeit gewährt die Maschinerie Hollywood nur denen, die bereits Erfolg hatten, und diesen personifiziert in die Gegenwart tragen. Ein solches Momentum hat Regisseur Damien Chazelle seit seinem zweiten Spielfilm «Whiplash», der als Low-Budget-Produktion drei Oscars gewann. Dieser Coup verschaffte ihm die künstlerische Freiheit, die schon länger mit sich mitgetragene Idee eines Musicals zu verwirklichen.

Chazelle lehnt sich in diesem stark an die goldene Ära des Genres an, mit Cinemascope als Bildformat, mit in Technicolor getunkten Farben und mit wahrlich hinreissenden Tanzchoreographien. Wunderbar entrückt gibt sich dieser Film in seinen oftmals neonlichternen, Sonnenuntergangs-durchfluteten Bildern – träumerisch, schwärmerisch, so wie Liebe und Wünsche nun mal sein können. Konterkariert wird die warme Nostalgik von einer kühlen Realität, die sich gerne unvermittelt Platz verschafft: Der Film reisst, das Handy klingelt, das Auto wird abgeschleppt. Stone und Gosling, Leinwandpaar-erprobt, lassen die Funken sprühen, und geben sich auch im Metier Gesang beachtlich talentiert.

«La La Land» ist eine mehrfache Hommage: An das alte Hollywood, an die Stadt Los Angeles, an Jazz, an den American Dream. Mag sein, dass der Film fast schon zu perfekt den Retro-Groove dieser Tage aufnimmt. Er führt den Zuschauer direkt zum Begriff «Traumfabrik» zurück, den Hollywood heute nur noch sehr selten einzulösen vermag.

Hier geht's zur Filmkritik von «Mank» – 5 von 5 ★

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Welche weiteren Produktionen die glamouröse Welt des Films unter die Lupe nehmen, erfahrt hier auf Teleboy.

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