Artikel11. Mai 2023

Filmtagebuch: Zwischen Vorbild und Angstmacher – Lehrertypen im Film

Filmtagebuch: Zwischen Vorbild und Angstmacher – Lehrertypen im Film
© IMDb

Engagiert, faul, einschüchternd, empathisch, anspornend, langweilig – zu all diesen Begriffen hat wahrscheinlich jeder sofort Bilder von Lehrpersonen aus der eigenen Schulzeit im Kopf. Den Start des intensiven Dramas «Das Lehrerzimmer», in dem eine junge Pädagogin mit guten Absichten an der bitteren Wirklichkeit scheitert, wollen wir nutzen, um einen Blick auf verschiedene Lehrerdarstellungen im Film zu werfen. Denn auch dort tummeln sich, wie im echten Leben, natürlich Typen aller Art.

Inspirierende Lehrmethoden in «Der Club der toten Dichter» © IMDb

Ansteckend: Lehrer als inspirierende Mentoren

Lehrer im Film? Da kommt direkt Peter Weirs tiefberührende Internatsgeschichte «Der Club der toten Dichter» (Disney+) in den Sinn. Darin zu sehen: Robin Williams als Pädagoge an einer konservativen Einrichtung, der seine Schüler ernst nimmt und sie zum eigenständigen Denken ermutigt. Konventionen hinterfragen, Kreativität ermöglichen, Zusammenhalt stärken, nicht selten mit ungewöhnlichen Methoden – ähnlich gehen viele Leinwandlehrer vor.

In «School of Rock» (Paramount+) zum Beispiel nimmt eine erfolgloser Gitarrist einen Aushilfsjob an einer Schule an und gründet, auf den Lehrplan pfeifend, eine Band. «Die Schüler der Madame Anne» (Apple TV) erzählt von der engagierten Titelheldin, die den Jugendlichen aus einem Pariser Brennpunkt über die Beschäftigung mit dem Holocaust ihre Fähigkeiten vor Augen führt und ihre Sinne für Vorurteile schärft. Mindestens ebenso eindrucksvoll: Der Einsatz der Lehrerin im ungeschönten Sozialdrama «Precious – Das Leben ist kostbar» (Filmingo), in dem eine übergewichtige, im Elternhaus missbrauchte Teenagerin mit Lese- und Rechtschreibschwäche durch ein förderndes Lernprojekt positive Erfahrungen sammelt.

Im Kino immer gerne verwendet: der Sport als befreiendes Element. So wie in «City of McFarland» (Apple TV), wo Kevin Costner als desillusionierter Football-Coach an einer Highschool mit starkem Hispano-Anteil ein Laufteam auf die Beine stellt. Eine inspirierende Beziehung beschreibt auch der Zombie-Schocker «The Girl with All Gifts» (Apple TV). Im Zentrum steht hier ein von einem aggressiven Virus befallenes Mädchen, das trotz Infektion seine Intelligenz bewahrt und bewundernd zu der liebevollen jungen Frau aufblickt, die sie und andere Kinder in einer Forschungsbasis unterrichtet. Selbst in postapokalyptischen Zeiten ist Bildung nicht zu unterschätzen!

Hohe Ansprüche scheitern an der Realität in «Das Lehrerzimmer» © Filmcoopi

Gute Absichten, ungeahnte Konsequenzen: Scheiternde Lehrer

Einsatz, Moral und tolle Ambitionen sind wunderbar. In der Schule können jedoch selbst die dynamischsten Lehrkräfte krachend vor Wände laufen. Teams mit eingefahrenen Arbeitsweisen und stereotypen Ansichten, fordernde Eltern, die nur ihre eigenen Kinder sehen, und ein träges, Frustration heraufbeschwörendes System – den zermürbend-rauen Alltag bekommt in «Das Lehrerzimmer» eine Uniabsolventin zu spüren, die ihren eigenen Ansprüchen schnell nicht mehr gerecht werden kann.

Einen harten Aufprall erlebt auch der Lehrer in «Die Welle» (Netflix), der seinen Schülern im Rahmen eines Sozialexperiments zeigen will, wie sich autokratische Gesellschaftsformen bilden. Am Ende steht der Pädagoge vor den Scherben eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Projekts.

Cameron Diaz als «Bad Teacher» mit Null-Bock-Einstellung

Lustlos oder völlig leer: Lehrer ohne Spass am Job

Keinen Bock auf Schüler, auf Mehrarbeit und Diskussionen. Neben den engagierten Paukern gibt es im Film häufig eine Lehrerspezies mit einer alles andere als motivierenden Haltung. Zugespitzt wird das Bild in der Komödie «Bad Teacher» (Sky Show), in der Cameron Diaz als Lustlospädagogin auf die Jagd nach einem reichen Gatten geht. Humorige und ernste Töne verbindet wiederum der dänische Oscar-Gewinner «Der Rausch» (Apple TV). Mads Mikkelsen spielt darin einen ausgebrannten Geschichtslehrer, der zusammen mit drei nicht weniger frustrierten Kollegen ein Trinkexperiment beginnt. Ständig alkoholisiert wollen die Männer wieder Schwung in ihr Leben und ihre Arbeit mit den Schülern bringen. Gute Entscheidung oder Schnapsidee, das ist hier die Frage.

Wenig Ehrgeiz verspürt in Bora Dagtekins Spassparade «Fack ju Göhte» (Netflix) anfangs auch ein Kleinganove, dem auf der Suche nach seiner versteckten Beute durch Missverständnisse eine Vertretungsstelle an einer Gesamtschule zufliegt. Die von ihm unterrichtete Klasse mit mehreren Problemfällen kriegt er dann aber erstaunlich gut in den Griff.

Das Böse versteckt sich hinter niedlichen Kätzchen in «Harry Potter und der Orden des Phönix» © Warner Brothers Switzerland

Keine Gnade: Lehrer mit Vorliebe für Drill

Strenge Regeln, eiserne Disziplin und knallharte Sanktionen bei jeder noch so kleinen Grenzüberschreitung. Wer kennt sie nicht, die Autoritätsfanatiker unter den Lehrkräften!? Jene angeblichen Pädagogen, die mit geradezu militärischem Drill Angst verbreiten. Ein besonders fieses Exemplar präsentiert uns Damien Chazelle in seinem preisgekrönten Drama «Whiplash» (YouTube), in dem ein unbarmherziger Musikdozent einen talentierten Schlagzeuger systematisch drangsaliert und demütigt.

Rücksichtslos agiert auch die auf Zucht und Ordnung geeichte Leiterin einer katholischen Schule in «Glaubensfrage» (Paramount+), die einem erneuerungswilligen Priester sexuellen Missbrauch unterstellt. Fans des «Harry Potter»-Universums ist der Name Dolores Umbridge ein Begriff. Als Despotin und Hauptantagonistin tritt die Lehrerin im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste besonders in «Harry Potter und der Orden des Phönix» (Amazon Prime) in Erscheinung. Wehe dem, der solche Pauker hat!

Beziehung ohne Distanz in «Tagebuch eines Skandals» © 20th Century Fox Switzerland

Keine Distanz: Toxische Lehrer-Schüler-Verhältnisse

Eng verbunden, manchmal deckungsgleich mit dem Drill-Typ sind Pädagogen mit einer viel zu engen Bindung an ihre Zöglinge. Pädagogen, denen jedes Gespür für ihre berufliche Verantwortung und ihre Machtposition abgeht. Affären zwischen Lehrern und Schülern beschreiben viele Filme, etwa der argentinische Beitrag «Ausente» (Apple TV), die britische Romanadaption «Tagebuch eines Skandals» (Disney+) oder der verrückte Haken schlagende Edeltrash-Thriller «Wild Things» (Apple TV).

Eine problematische Beziehung entwickelt sich auch in der Bühnenverfilmung «In ihrem Haus» (AppleTV). Hier ist es ein unzufriedener Französischlehrer, der einen Jugendlichen dazu ermuntert, immer tiefer in das Familienleben eines Klassenkameraden einzudringen und seine Beobachtungen literarisch zu verarbeiten. Wenn da nicht mal der Voyeur in uns allen erwacht!?

Unkonventionelle Lehre in «Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück» © Impuls Pictures

Home sweet home: Die Figur des Hauslehrers

Unterricht findet gewöhnlich in der Schule statt. In manchen Filmen verlagert sich das Lernen allerdings in den häuslichen Bereich. Interessant sind dabei vor allem die Spezialfälle. Beispielsweise der Science-Fiction-Thriller «I Am Mother» (Netflix), in dem ein humanoider Roboter namens Mutter in einer Bunkeranlage ein Mädchen, den mutmasslich letzten Menschen auf der Erde, in die Welt des Wissens einführt.

Perfide und nervenaufreibend wird es in «Run – Du kannst ihr nicht entkommen» (Sky Show), wo eine krankhaft überfürsorgliche Mutter ihre angeblich schwerkranke Tochter an die eigenen vier Wände fesselt und ihr dort den Schulstoff näherbringt. Dumm nur, dass die Teenagerin zum Studieren endlich aus dem Haus will.

Konventionelle Lehranstalten lehnt in der Tragikomödie «Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück» (Apple TV) auch ein gebildeter sechsfacher Familienvater ab und zieht seine Kinder fernab der Zivilisation in der Natur gross. Im Unterschied zur selbstsüchtigen Übermama in «Run» erkennt er jedoch, dass er seinem Nachwuchs sein Ideale aufzwingt und ihm die Chance nimmt, Teil der Gesellschaft zu werden. Wohl dem, der die Gabe der Einsicht hat!

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