Artikel28. April 2023

Filmtagebuch: Niemals erwachsen? 8 Gesichter des Peter Pan

Filmtagebuch: Niemals erwachsen? 8 Gesichter des Peter Pan
© Disney Schweiz

Remakes, Fortsetzungen und Neuinterpretationen hat es in der Filmbranche schon immer gegeben. Doch nie waren Auffrischungen etablierter Stoffe so allgegenwärtig wie heute. Dass manche Werke immer wieder adaptiert werden, hat sicher mit ihrem zeitlosen Charakter zu tun. Der Kern der Erzählung setzt keinen Staub an und weiss auch viele Jahre nach dem Ersterscheinen noch zu fesseln. So wie im Fall von Peter Pan, dem Jungen, der nicht erwachsen werden will und auf der Insel Nimmerland/Neverland mit seinen Freunden unglaubliche Abenteuer erlebt. Zum Start von «Peter Pan & Wendy» werfen wir einen Blick auf das von J. M. Barrie erdachte Pan-Universum und seine vielen Gesichter.

Artikel von Christopher Diekhaus

1. «Peter Pan» (1953)

Ein buntes, temporeiches Abenteuer

Am prägendsten unter all den Verfilmungen der Peter-Pan-Geschichten nach J. M. Barrie ist wohl der 14. abendfüllende Zeichentrickstreifen aus dem Hause Disney. «Peter Pan» schildert, wie der dem Altern abschwörende Titelheld ein Mädchen namens Wendy und ihre beiden Brüder in das sagenumwobene Nimmerland mitnimmt. Eine verborgene Welt, in der man nicht erwachsen werden muss. Zu einem grossen Abenteuer wird die Reise vor allem deshalb, weil Captain Hook seinen Erzfeind Peter zu fangen versucht.

Besondere Ambitionen verfolgt die Disney-Version nicht und blendet bewusst die düstereren Seiten des Barrie-Stoffes aus. Gespickt mit vielen kleinen Inszenierungsideen und temporeich erzählt, bietet der Film dennoch ansprechende Unterhaltung. Kritisch sehen muss man aus heutiger Sicht freilich die arg stereotype Darstellung der auf Nimmerland lebenden Ureinwohner.

Verfügbar auf Disney+

2. «Hook» (1991)

Steven Spielbergs Fortschreibung der klassischen Geschichte

Den ganz grossen Pinsel schwang Steven Spielberg in seinem Fantasy-Blockbuster «Hook», der die Bühnen- bzw. Literaturvorlage J. M. Barries eigenständig weiterdenkt. Der von Robin Williams gespielte Peter Pan heisst hier zunächst Peter Banning, ist inzwischen erwachsen geworden, lebt in San Francisco und vernachlässigt als Workaholic-Anwalt seine Familie.

Captain Hook (Dustin Hoffman) sinnt derweil in Nimmerland auf Rache für den Verlust seiner Hand und entführt schliesslich Bannings Kinder in das fantastische Reich. Um sie wohlbehalten zurückholen zu können, muss sich Peter wieder an seine in Vergessenheit geratene Kindheit und die damalige Abenteuerlust erinnern. Spielbergs Fortsetzung ist im Kern sicherlich etwas naiv und schiesst in ihrem Hang zum Spektakel manchmal übers Ziel hinaus. Die Hauptdarsteller und das aufwendig-liebevolle Szenenbild nehmen einen aber immer wieder gefangen.

Verfügbar auf Netflix

3. «Wenn Träume fliegen lernen» (2004)

Wie Peter Pan entstand

Einen interessanten Ansatz verfolgt Marc Forsters Theateradaption «Wenn Träume fliegen lernen», die im englischen Original passend «Finding Neverland» heisst. Im Zentrum des Films steht der wenig erfolgreiche Bühnenautor J. M. Barrie (Johnny Depp), der sich von seiner Ehefrau Marie (Radha Mitchell) entfremdet und immer mehr Zeit mit der jungen Witwe Sylvia Llewelyn Davies (Kate Winslet) und deren Söhnen verbringt.

Das gemeinsame Geschichtenerzählen inspiriert ihn irgendwann zum Stück «Peter Pan», das sich zu einem echten Hit entwickelt. Forsters Drama wirft, sich eher lose an der Lebensgeschichte Barries orientierend, einen Blick hinter die Kulissen des Schaffensprozesses und überzeugt vor allem als gut gespieltes Loblied auf die Kraft der Imagination. Eine Kraft, die auch vom gesellschaftlich eher rigiden Rahmen der abgebildeten Zeit nicht zurückgehalten werden kann.

Verfügbar on Demand auf Apple TV

4. «Once Upon a Time - Es war einmal» (2011-2018)

Bekannte Figuren in neuem Beziehungsgeflecht

Ein starke Prämisse hat die ABC-Serie «Once Upon a Time - Es war einmal», die sich um die fiktive Kleinstadt Storybrooke dreht, deren Bewohner früher Märchenfiguren waren. Die Handlung springt ständig zwischen den Ereignissen in der normalen Welt und den Geschehnissen aus dem Fantasy-Reich hin und her.

Im Rahmen dieses hochkomplexen, viele neue Verbindungen herstellenden Story-Geflechts tauchen auch einige der von J. M. Barrie erdachten Charaktere auf. Zu sehen sind neben Peter Pan (Robbie Kay) auch Captain Hook (Colin O’Donoghue), die Fee Tinker Bell (Rose McIver) und Tiger Lily (Sara Tomko), eine junge Ureinwohnerin aus Neverland. Wer bekannte Elemente der Pan-Geschichte mit gänzlich frischen Ideen kombiniert sehen will, kommt in der sieben Staffeln umfassenden Serienproduktion definitiv auf seine Kosten!

Verfügbar auf Disney+

5. «Pan» (2015)

Mein Freund Hook

Anders als Steven Spielbergs «Hook» spinnt der von Joe Wright inszenierte Spektakelstreifen die bekannte Peter-Pan-Geschichte nicht weiter, sondern erfindet eine Vorgeschichte zu J. M. Barries Origin Story: Während des Zweiten Weltkriegs wird der in einem Waisenheim lebende Peter (Levi Miller) zusammen mit einigen anderen Kindern von den Piraten des fiesen Kapitäns Blackbeard (Hugh Jackman) nach Nimmerland entführt. Hilfe im Kampf gegen den Tyrannen, der die Gekidnappten als Arbeitssklaven ausbeutet, erhält der Titelheld von einem gewissen James Hook (Garrett Hedlund).

Die Idee, den späteren Erzfeind hier in einen Unterstützer zu verwandeln, ist nicht schlecht. Und gewiss hat der knallig bunte Film einige kreative visuelle Einfälle in petto. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Wright und seine Mitstreiter erzählerisch an formelhaften Blockbuster-Mustern entlanghangeln und es mit dem Action-Remmidemmi manchmal übertreiben. Nicht nur bei den Kritikern fiel «Pan» krachend durch. Auch das Publikum konnte der 150-Millionen-Dollar-Produktion wenig abgewinnen und machte sie zu einem handfesten Kassenflop. Für negatives Aufsehen sorgte ferner die Diskussion um die Besetzung der weissen Rooney Mara in der Rolle der indigenen Figur Tiger Lily.

Verfügbar auf Netflix

6. «Peter & Wendy» (2015)

Neuinterpretation mit spannendem Barrie-Hintergrund

Einen aufregenden Zugang zu J. M. Barries Ursprungsgeschichte wählt dieser britische Fernsehfilm, der von Lucy Rose (Hazel Doupe) handelt, einem Mädchen, das im Londoner Kinderkrankenhaus Great Ormond Street auf eine riskante, aber lebensrettende Operation wartet. Während sie den anderen Patienten aus einer «Peter Pan»-Ausgabe vorliest, fantasiert sie sich selbst in die Abenteuer in Nimmerland hinein und setzt sich dabei mit ihrer Angst vor dem drohenden Tod auseinander.

Starke Darstellerleistungen, unter anderem von Stanley Tucci in der Rolle Hooks, und eine berührend-behutsame Erzählweise machen diese mit einem Emmy ausgezeichnete TV-Version zu einem kleinen Highlight. Was als Kirsche auf der Torte hinzukommt: Dem real existierenden Hospital in der Great Ormond Street war Schöpfer Barrie tatsächlich stark verbunden. Nicht umsonst übertrug er der Klinik 1929, bereits einige Jahre vor seinem Tod, die Rechte am Peter-Pan-Stoff.

Verfügbar on Demand auf Apple TV

7. «Wendy» (2020)

Entzauberung von Neverland

Eher unkonventionell verfährt Benh Zeitlin in seiner Interpretation der Pan-Geschichte, deren Gegenwartshandlung im US-amerikanischen Louisiana spielt. Wendy (Devin France) und ihre Zwillingsbrüder Douglas (Gage Naquin) und James (Gavin Naquin) folgen einem dieses Mal schwarzen Peter (Yashua Mack) auf eine rätselhafte Insel voller Kinder, die dem Erwachsenwerden abgeschworen haben.

Was diese Erzählung in erster Linie von vielen anderen Adaptionen unterscheidet: Das berühmte Fantasiereich Neverland wirkt hier trostloser als sonst. Auch die oft so inbrünstig beschworene Macht der Fantasie stellt der Film kritisch auf den Prüfstand. Selbst wenn nicht alle Bausteine zusammenpassen, manches etwas unrund wirkt, bereichert Zeitlins atmosphärisch bebilderte Neuverfilmung den Korpus an Pan-Adaptionen durchaus.

Verfügbar auf Disney+

8. «Peter Pan & Wendy» (2023)

Diversität und zupackende Wendy

Einen nicht zu sehr am Original klebenden Ansatz durfte man auch von David Lowery erwarten, der zuletzt mit dem hypnotischen Mittelalterepos «The Green Knight» für Aufsehen sorgte. In seiner Version, einem Live-Action-Remake des Disney-Streifens von 1953, steht Wendy (Ever Anderson) kurz davor, ihr Elternhaus zu verlassen und auf ein Internat zu gehen. Doch dann taucht der fliegende Peter Pan (Alexander Molony) bei ihr auf und überredet sie und ihre beiden Brüder (Joshua Pickering und Jacobi Jupe), mit nach Neverland zu kommen. Dorthin, wo niemand Verantwortung übernehmen und erwachsen werden muss.

Ins Auge sticht besonders, dass Wendy im Ringen mit dem rachsüchtigen Captain Hook (Jude Law) zu einer gleichberechtigten Heldin wird und der Cast erfreulich divers aufgestellt ist. Zum ersten Mal in einer Disney-Produktion erhielt mit Noah Matthews Matofsky ein Schauspieler mit Down-Syndrom eine grössere Rolle. Schade ist allerdings, dass sich die Vielfalt nicht in facettenreichen Charakterprofilen niederschlägt und der Film seine Ideen und Botschaften oft etwas zu gehetzt vorträgt.

Verfügbar auf Disney+

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