Notre corps Frankreich 2023 – 168min.

Filmkritik

Lebensmomente in einem Pariser Krankenhaus

Filmkritik: Maxime Maynard

Im Jahr 2022 machte die französische Regisseurin Claire Simon mit «Vous ne désirez que moi» einen kleinen Ausflug in die Fiktion. Jetzt kehrt sie zu ihrem bevorzugten Genre zurück und präsentiert ihre neue Dokumentation: «Notre Corps».

Mit der Handkamera bewaffnet, schlüpft die Filmemacherin in die gynäkologische Abteilung des Krankenhauses Tenon in Paris, um den Alltag dort zu beleuchten. Arzttermine, Operationen, Geburten: Die Krankenhauswelt öffnet dem Publikum einen Mikrokosmos voller Momente der Freude, Angst und Traurigkeit.

In der Kategorie Forum des Internationalen Filmfestivals Berlin vorgestellt und dann im April beim Festival Visions du Réel in Nyon gezeigt, mag «Notre Corps» mit seinen 2 Stunden und 50 Minuten auf den ersten Blick schwer zugänglich erscheinen. Mit einem kurzen Monolog eröffnet die Regisseurin den Spielfilm. Dann beginnen die medizinischen Gespräche. Behandlungen, Risiken: Die Fragen häufen sich, die Informationen sammeln sich an. Der schlichte und reduzierte Stil sowie die sparsam eingesetzte Musik betonen die rohe Ehrlichkeit dieser gestohlenen Augenblicke.

Ob cisgeschlechtlich oder transgeschlechtlich, die Patientinnen und Patienten stammen aus unterschiedlichen Herkünften und kommen aus verschiedenen Lebensbereichen. Ein sozial vielfältiges Umfeld, genauso vielfältig wie die dargestellten Behandlungen und Therapieansätze. Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt: Die spezifischen Fragen zur Fortpflanzung nehmen einen wichtigen Platz ein, und beeindruckt verfolgen wir eine Geburt per Kaiserschnitt. Doch während ein Leben beginnt, schwindet ein anderes langsam. Erschöpft erfährt eine Patientin von der Hartnäckigkeit ihrer Krankheit. Zutiefst bewegt hören wir ihr zu, wie sie ihre eigenen Beerdigungsarrangements plant.

Claire Simon bleibt im Hintergrund. Sie ist weder da, um zu urteilen, noch um zu argumentieren, und begrenzt die Anzahl direkter Interaktionen mit den Patientinnen, Patienten oder dem medizinischen Personal. Dennoch ist es auch ihre Geschichte, die sich uns darbietet. Während der Dreharbeiten entdeckt sie eine Krankheit bei sich selbst und beschliesst, sich in das Projekt einzubinden. Ohne überflüssige künstlerische Übertreibungen werden die Fakten in einer Mosaik aus persönlichen Lebensmomenten mit universellem Bezug präsentiert. Und hinter der bescheiden sterilisierten Verpackung von «Notre Corps» - manchmal explizit, oft bewegend - scheint der Glanz einer wunderbaren Menschlichkeit hervor.









23.08.2023

4

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