Astrid Schweden 2017 – 123min.

Filmkritik

Heranwachsen und Reifen einer Schriftstellerin

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Pernille Fischer Christensen fokussiert in ihrem Biopic auf die wenigen Jahre, welche die jung und unverheiratet Mutter gewordene Astrid Lindgren zur erfolgreichen Schriftstellerin formen.

Eine ältere Frau öffnet ihre Geburtstagspost. Es finden sich darin viele Kinderfragen. Wieso Astrid, sind die Eltern der Kinder in deinen Büchern so oft tot? Und: Wieso Astrid, kannst du so gut über Kinder schreiben, wenn du solange schon keines mehr bist? Ausgehend davon blendet der Film zurück in die 1920er-Jahre, in Astrid Lindgrens späte Jugend.

Astrid Ericson, wie sie gebürtig heisst, wächst auf einem Hof in der Nähe von Vimmerby auf. Ihre Eltern sind weltoffen, aber streng. Astrid sticht als temperamentvollste aus der vierköpfigen Kinderschar heraus. Sie unterhält ihre Geschwister mit grotesken Stegreifgeschichten und unverfrorenen Witzen und tanzt am Jugendnachmittag im Gemeindehaus so exaltiert, dass ihr keiner die Hand reicht. Gleichwohl zieht just ihr eigenwilliger Tanzstil einige Jahre später in Stockholm die Blicke eines gewissen Sture Lindgren auf sich.

Vorerst allerdings bietet der Chefredaktor der lokalen Tageszeitung der 16-Jährigen einen Job als Volontärin an. Stolz ist Astrid, als sie schon bald ihre erste Reportage schreiben darf. Die sich anbahnende Affäre mit Blomberg zeigt Pernille Fischer Christensen einvernehmlich. Als Astrid knapp 18-jährig schwanger wird, ist das Problem nicht ihr Alter, sondern dass Blomberg noch verheiratet ist. Um keinen Skandal heraufzubeschwören, zieht Astrid nach Stockholm, Sohn Lasse bringt sie – wie damals viele Schwedinnen in ähnlicher Situation – in Dänemark zur Welt, wo sich fortan eine Pflegemutter um ihn kümmert.

Astrid aber leidet unter der Trennung von ihrem Kind. Und als Blomberg endlich geschieden ist und sie heiraten will, läuft sie ihm davon und holt Lasse zu sich. Pernille Fischer Christensen hat „Astrid“ stimmungsvoll inszeniert – mit Alba August, die beeindruckend einfühlsam und impulsiv ihre erste grosse Kinorolle stemmt und das emotional bisweilen heftige Drama über weite Strecken alleine trägt.

Obwohl Unga Astrid („Astrid werden“), wie der Film original titelt, Jahre vor der Veröffentlichung von Lindgrens erstem Kinderbuch spielt, ist alles da, was sie später als Autorin kennzeichnet: Ihre munter sprudelnde Fantasie. Ihre Zuneigung zu Kindern und ihr tiefes Verständnis für deren Ängste und Nöte. Der freche Humor, mit der sie, und mit ihr die Protagonisten ihrer Bücher, der Welt begegnen.

Wenngleich Astrid eine leise Tendenz zur Harmonisierung und damit auch Verharmlosung hat, und vor allem die allerletzten Szenen, welche Astrid glücklich vereint mit ihrem Söhnchen zeigen, ziemlich kitschig sind, ist Astrid das beeindruckende Coming-of-Age-Drama einer starken Frau.

04.12.2018

3

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Kommentare

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Patrick

vor 4 Jahren

Feinfühliges Biopic Drama über eine Starke Weibliche Persönlichkeit die so viele Kinder Herzen erfreut hat.


geronimo62

vor 4 Jahren

Berührend und empfehlenswert, man beachte auch das Lied im Abspann....ein Ohrwurm....man wünscht sich eine Fortsetzung des Films, oder besser; mehrere Fortsetzungen, die sich zu einer vollständigen Biographie vereinen. Astrid Lindgren hätte es verdient


cogeser

vor 5 Jahren

Ein wunderschöner, tiefgründiger Film, sehr empfehlenswert.


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