Videocracy Dänemark, Finnland, Schweden, Grossbritannien 2009 – 85min.

Filmkritik

Berlus(t)conis Spaßregierung

Filmkritik: Eduard Ulrich

Silvio Berlusconi ist eine beliebte Zielscheibe für Satiriker. Erik Gandini, ein Italiener aus Schweden, knöpft sich gleich das System vor. Mit seiner anekdotischen Wahl der Schwerpunkte kann er aber nur an der Oberfläche kratzen. Vielleicht hat er damit aber genau des Pudels Kern getroffen.

Das Imperium Romanum liefert nicht nur seit je den Stoff für viele Hollywood-Epen, es bietet auch Lehrreiches fürs wirkliche Leben. Es erfand Gladiatorentodeskämpfe und warf echte Christen genauso echten Löwen zum Fraß und zur Belustigung des Publikums vor, es dehnte die Schulspeisung auf alle aus und bot gratis Unterhaltung - panem et circenses, die heute Sozialhilfe und Fernsehen heißen. Manche unken, diese spätantike Spaßgesellschaft sei sowohl Symptom ihrer Dekadenz als auch Ursache ihres baldigen Untergangs gewesen.

Da wirkt es wie eine Ironie der Geschichte, dass in Italien die Massenmedienlandschaft vom Langzeitregierungschef und Medien-Duce Silvio Berlusconi in Personalunion dominiert und als reine Unterhaltungsmaschinerie betrieben wird. Er sichert damit seine Macht und zog als Nebeneffekt eine Generation von Medienkonsumenten heran, deren Lebensziel darin zu bestehen scheint, Teil dieses Medienimperiums zu werden. Eine Möglichkeit dazu besteht beispielsweise darin, die verantwortungsvolle Aufgabe einer Velina zu übernehmen, die dem Moderator zudient, indem sie drei wichtige Funktionen erfüllt: lächeln, nichts sagen und gut aussehen.

Erik Gandini führt drei Kronzeugen für seine Thesen im doppelten Sinne vor: Den Agenten, über dessen Schreibtisch oder durch dessen Bett jegliche weibliche bzw. männliche Medienkarriere führt; einen knapp 30-jährigen Arbeiter, der immer wieder versucht, als Talent erkannt zu werden; und einen Paparazzi der komplementären Art, der seine Bilder an die Reichen und Mächtigen verkauft, damit sie nicht veröffentlicht werden. Gandini zeigt neben dem aktuellen Programm auch einige Trouvaillen - vor allem Bilder aus der Anfangszeit von Berlusconis Privatsender, der mit einfach gestrickten, billigst produzierten und mit textilarmen Einlagen garnierten Sendungen die Unterschicht vor dem Fernseher fesseln konnte, dass sich Arbeitgeber beklagten, ihr Personal bekäme nicht genug Schlaf. Gandinis Konzept des ausführlichen Vorführens zwecks Selbstentlarvung der Selbstdarsteller bringt allerdings einiges an Wiederholung. Zudem vermisst man doch einen Blick auf die Institutionen und Gegenkräfte im Staate, damit man verstehen könnte, wer oder was genau wann versagt hat.

Jedes Volk hat angeblich die Regierung, die es verdient, aber Churchil hätte sein Votum, die Demokratie sei die schlechteste Staatsform - abgesehen von allen anderen, wohl anders formuliert, hätte er die aktuelle italienische Version gekannt. Das Diktum von der Spaßgesellschaft findet hier jedenfalls seine kühnste Ausprägung und schlüssige Fortsetzung, indem die Regierung die Zerstreuung zum Staatsziel erklärt und seine Erfüllung gleich in die eigenen Hände genommen hat.

17.06.2010

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