Kritik30. April 2021

Netflix-Kritik «Die Mitchells gegen die Maschinen»: Chaosfamilie als letzte Hoffnung

Netflix-Kritik «Die Mitchells gegen die Maschinen»: Chaosfamilie als letzte Hoffnung
© Netflix

Eigentlich für die grosse Leinwand bestimmt, nun aber fast überall nur auf dem kleinen Bildschirm verfügbar: Der turbulente Animationsstreifen «Die Mitchells gegen die Maschinen» ist einer von nicht wenigen Filmen, deren flächendeckender Kinostart von der Corona-Pandemie verhindert wurde.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Über 100 Millionen Dollar hat sich Netflix den Erwerb der Rechte kosten lassen. Eine ordentliche Hausnummer und ein deutliches Zeichen an die Konkurrenz, dass man den immer härter werdenden Streaming-Wettbewerb nicht fürchtet. Neue Player mögen beständig auf den Markt strömen. Offensichtlich ist das im kalifornischen Los Gatos beheimatete Unternehmen aber noch lange nicht bereit, seine Position im Spitzenfeld zu räumen, und kauft daher fleissig weiter, teilweise prestigeträchtige, Produktionen von abtretungswilligen Hollywood-Studios ein.

In der zweiten Hälfte werden die Charaktermomente vermehrt von fulminanten Actionsequenzen überlagert.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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Mit «Die Mitchells gegen die Maschinen» legt Netflix nun eine sicherlich nicht fehlerfreie, aber dennoch launige, quirlige und visuell aus allen Rohren feuernde Animationskomödie vor. Viele Story-Elemente darin fühlen sich vertraut an. Und mit konkreten Filmverweisen wird nicht gegeizt. Inhaltlich gibt es dafür allerdings auch gute Gründe. Denn im Zentrum steht die Heranwachsende Katie Mitchell (Stimme im Original: Abbi Jacobson), die sich, wie sie uns gleich zu Beginn erzählt, von Kindesbeinen an für das Medium «Film» begeistern konnte. Ihre Umgebung brachte für ihre grosse Leidenschaft dagegen wenig Verständnis auf. Und so empfand sie sich schon früh als Aussenseiterin.

Als Katie an einer Filmhochschule angenommen wird, ist die Freude grenzenlos. Endlich darf sie mit anderen Movie-Nerds fachsimpeln und muss sich nicht mehr andauernd mit ihrer chaotischen Familie befassen. Kurz vor dem Aufbruch in den neuen Lebensabschnitt kommt es mal wieder zu einer Diskussion mit ihrem naturverbundenen Vater Rick (Danny McBride), der für ihre filmischen Ambitionen wenig übrig hat und zu Katies Verärgerung versehentlich ihren Laptop zerstört. Am nächsten Morgen will er den Fauxpas dann mit einer besonderen Überraschung wettmachen: Statt allein zum College-Standort zu fliegen, soll seine Tochter mit der gesamten Familie einen versöhnenden Roadtrip antreten. Unterwegs staunen die Mitchells jedoch nicht schlecht, als plötzlich eine Roboterapokalypse über die Welt hereinbricht.

Der temporeich getaktete Film schleudert eine Reihe skurriler Einfälle und diverse treffsichere Gags entgegen, die den Spassfaktor hochhalten.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Als Filmfan findet sich Katie mit ihren Liebsten unverhofft in einem kinoreifen Szenario wieder, das an James Camerons Science-Fiction-Actioner «Der Terminator» erinnert, sich aber auch durch andere Genres und Leinwandwerke wühlt. George A. Romeros Horrorparabel «Dawn of the Dead» wird etwa in einer Shopping-Mall-Passage zitiert, die auf amüsante Weise unsere zunehmend vernetzte Welt persifliert. Zu Schreckgestalten werden hier ausgerechnet alle möglichen Haushaltsgeräte, denen ein smarter Chip eines fiktiven Tech-Giganten eingepflanzt wurde.

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Den in vielen Werken bereits durchgespielten Aufstand der Technik kombiniert der von Michael Rianda und Jeff Rowe erdachte Film mit einem emotionaleren Strang, der zwei Figuren auf eine Reise der Annäherung schickt. Katie und ihr Vater müssen während des Durcheinanders, in dem die Mitchells auf einmal zu denkbar unwahrscheinlichen Hoffnungsträgern avancieren, lernen, sich gegenseitig zu verstehen und sich wieder mehr zu respektieren. Mutter bzw. Ehefrau Linda (Maya Rudolph) und Bruder bzw. Sohn Aaron (Michael Rianda) sind dabei eher Stichwortgeber ohne bedeutenden Entfaltungsraum.

Katie und Ricks Weg zu einer neuen Erkenntnis wirkt manchmal etwas schablonenhaft. Gerade in der zweiten Hälfte werden die Charaktermomente vermehrt von fulminanten Actionsequenzen überlagert. Und mit der Zeit zieht eine gewisse Beliebigkeit – anders gesagt: ein Anything-goes-Prinzip – in die Geschichte ein. Gleichzeitig schleudert uns der temporeich getaktete Film aber auch eine Reihe skurriler Einfälle und diverse treffsichere Gags entgegen, die den Spassfaktor hochhalten. Gewöhnungsbedürftig, im Kontext der Figurenzeichnung allerdings, konsequent ist die knallbunte, vor spielerischen Elementen nur so strotzende Gestaltung. Katies Vorliebe für lustige Amateurstreifen und Memes springt immer wieder auf den Film selbst über. Mitunter hat man wirklich das Gefühl, in einem ausgedehnten, mit Farben und Symbolen um sich schiessenden YouTube-Video gelandet zu sein.

3.5 von 5 ★

«Die Mitchells gegen die Maschinen» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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