Kritik16. August 2019

«Diego Maradona»: Asif Kapadias Doku über das turbulente Leben einer Fussball-Legende

«Diego Maradona»: Asif Kapadias Doku über das turbulente Leben einer Fussball-Legende
© DCM Film

Vielleicht war er der grösste Fussballer aller Zeiten. Ganz sicher aber war – und ist – Diego Armando Maradona eine der schillerndsten Personen, die der Sport je hervorgebracht hat. Asif Kapadia («Senna», «Amy») vervollständigt mit dem Porträt des Fussballgottes seine Doku-Trilogie.

Filmkritik von Urs Arnold

Wer anlässlich der WM 2018 Diego Maradonas bizarren Tribünenauftritt sah, der hat den Wahnsinn eines Mannes erlebt, der einmal ein Genie war. Maradona als Spieler, das war ein Dribbler vor dem Herrn, eine Nummer 10 von technischer Beschlagenheit und hoher Spielintelligenz. 1986 schoss der quirlige Linksfuss Argentinien fast alleine zum Weltmeistertitel. Im Viertelfinal gegen England erzielte er ein Tor mit der “Hand Gottes”, das zweite nach einem atemlosen Alleingang über das halbe Spielfeld. Wahnsinn und Genie, komprimiert in einem Spiel.

Maradonas zweites Tor gegen England bei der WM 1986 wurde zum Tor des Jahrhunderts gewählt. © DCM Film

Der Dokumentarfilm «Diego Maradona» führt über zwei Stunden Laufzeit vor Augen, dass im Leben des Sportidols selten etwas mittelmässig war. Aufgewachsen in bitterarmen Verhältnissen, wechselte er 1984 nicht zu den grossen italienischen Clubs wie Juventus Turin oder AC Mailand, sondern zum SSC Neapel, damals der mediokre Underdog aus dem Mezzogiorno. Drei Jahre später wurde Maradonas Neapel Meister und der Kapitän seinerseits Meister der wilden Partys, später gewann er den UEFA-Cup und bezog Koks von der Camorra. Nach dem WM-Titel wurde er Vater eines Kindes, dessen Vaterschaft er nicht anerkannte. Auch zur damaligen Zeit stellte dies keinen typischen Lebenswandel eines Fussballers dar.

Maradona ist Senna als geradezu religiös gehuldigtes Sportidol so nahe wie Winehouse als das gesegnete, aber bald der Unschuld beraubte Grosstalent.– Cineman-Filmkritiker Urs Arnold

Von all diesen Triumphen und tiefen Fällen zeugt «Diego Maradona», ein dokumentarisches Destillat an körnigen und vergilbten Film-, Bild- und Tonaufnahmen, das aus 500 Stunden Material gewonnen wurde. Dieses wurde hervorragend montiert und mit wohldosierten Off-Interviews mit verschiedenen Zeitzeugen verwoben – darunter Maradona selbst. Bemerkenswert ist hier nicht nur, wie präzise Regisseur Asif Kapadia seinen Film taktet, sondern wie er das Star-Faszinosum und gleichzeitig den Menschen dahinter in seinen Nuancen herausarbeitet.

«Diego Maradona» erlaubt einen unvergesslichen Blick auf das Leben des argentinischen Fussballstars. © DCM Film

Dieses Talent stellte Kapadia bereits in seinen Dokus über den Autorennfahrer Ayrton Senna («Senna») und die Sängerin Amy Winehouse («Amy») zur Schau. Maradona ist Senna als geradezu religiös gehuldigtes Sportidol so nahe wie Winehouse als das gesegnete, aber bald der Unschuld beraubte Grosstalent. Zwar lebt Maradona immer noch, doch lässt Kapadia seine Doku letztendlich in einen Ausklang münden, der einem Requiem gleichkommt. Denn das Stück Erde, auf dem die Probleme des Lebens für 90 Minuten inexistent sind, hat der einstige Messias Maradona längst verlassen.

4.5 von 5 ★

«Diego Maradona» ist ab dem 5. September in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

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