Kritik20. Februar 2024

Berlinale 2024: «Treasure»: Schmerzhafte Reise in die Vergangenheit

Berlinale 2024: «Treasure»: Schmerzhafte Reise in die Vergangenheit
© Berlinale | Anne Wilk

Die eigene Herkunft ergründen oder die traumatische Vergangenheit hinter sich lassen? Die Regisseurin Julia von Heinz lässt ein ungleiches Vater-Tochter-Duo aufeinander prallen und schickt die Sinnsuchende und den Verdränger auf eine Reise nach Polen.

«Treasure»: Schmerzhafte Reise in die Vergangenheit

Julia von Heinz | Deutschland, Frankreich | 112 Min.

1991: Der Eiserne Vorhang ist gefallen und die New Yorker Journalistin Ruth will wie viele andere Sinnsuchende ihre Herkunft ergründen. Auf ihrer Reise nach Polen wird sie von ihrem Vater Edek begleitet, der nur widerwillig auf den Pfaden seiner schmerzhaften Vergangenheit wandelt, seine Tochter aber nicht allein lassen will. Zwischen Streit und Versöhnung bahnen sie sich ihren Weg durch generationsübergreifende Traumata.

Hinter «Treasure» steht die deutsche Regisseurin Julia von Heinz, die mit ihrem Film den Roman «Zu viele Männer» der Autorin Lily Brett adaptiert. Die Filmemacherin bearbeitet damit thematisch erneut die Auswirkungen des Holocausts und schliesst damit nach «Hannas Reise» und «Und morgen die ganze Welt» ihre Aftermath-Trilogie ab.

Im Zentrum steht die Suche nach der eigenen Herkunft und damit nach einem Schlüssel, um sich selbst und die eigene Familie besser zu verstehen. Doch auch Verlust, Trauer und die Verarbeitung vergangener Gewalttaten sind Themen, die in «Treasure» mit sehr viel Behutsamkeit bearbeitet werden. Beide Themenkomplexe werden von den jeweiligen Figuren getragen, einerseits Ruth (Lena Dunham), die ihre Herkunft ergründen will, andererseits Edek (Stephen Fry), der sich als Überlebender des Holocaust dem Vergangenen kaum zu stellen vermag.

Die Dynamik zwischen diesen beiden Figuren ist sowohl unterhaltsam, oftmals witzig und leichtfüssig, als auch schmerzhaft und kompliziert. Lena Dunham und Stephen Fry geben hier mit grosser emotionaler Schlagkraft ein lebensnahes und liebenswürdiges Vater-Tochter-Gespann, dessen Reise bewegt und mitreisst.

Beeindruckend ist ausserdem die realistische, aber niemals aufdringliche Einbettung der Geschichte in die frühen 90er-Jahre – ein Setting übrigens, dass das Filmteam nicht in Polen, sondern in Ostdeutschland finden konnte. Besonders bewegend und auch produktionstechnisch nicht ohne Weiteres zu bekommen, sind die Aufnahmen in und um das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, das als historische Gedenkstätte so nur selten auf der Leinwand zu sehen ist.

Insgesamt ist «Treasure» ein ergreifender und trotz seines düsteren Themas unterhaltsamer Film, der vor allem mit der hervorragenden Chemie seiner Hauptdarsteller:innen punkten kann. Regisseurin Julia von Heinz erzählt mit dem dringend nötigen Fingerspitzengefühl vom Schicksal der Opfer des Holocaust, vermag es aber trotzdem, eine gute Portion menschliche Wärme, Lebenslust und Humor unterzubringen.

4 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 74. Berlinale findest du hier.

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