Kritik27. Februar 2023

Berlinale 2023: «Absence»: Leerstellen

Berlinale 2023: «Absence»: Leerstellen
© CHN 2023, Encounters

In Wu Langs sinnlichem und in satten Farben getauchtem Drama kämpft ein Mann still und hartnäckig um seine Familie.

«Absence»: Leerstellen

Wu Lang | 100 Min.

Ein Text von Teresa Vena

«Haben Hummer eine Seele?», fragt Han (Lee Kang-Sheng). «Nein, Tiere sind wie Maschinen», antwortet sein Freund. So beginnt dieses leise Drama um einen Mann, der nach zehn Jahren Gefängnis zurück in seine Heimat kommt und diese komplett verändert vorfindet. Mittlerweile hat man hier fleissig gebaut, vor allem Hochwohnhäuser aus Beton, nach dem neuesten Stand. Eine solche Wohnung wünscht sich auch seine Ex-Frau Su (Li Meng), die ihrer elfjährigen Tochter ein besseres Leben in der Stadt bieten will. Han möchte für die kleine Familie aufkommen, irgendwann lässt sich Su darauf ein: Sie heiraten. Doch die Wohnung wird leider nicht fertig, das Geld ist aber weg. Han sucht nach einer Lösung.

Der Film ist ein visuelles Erlebnis. Regisseur Wu Lang hat ein präzises ästhetisches Konzept entwickelt, das er konsequent durchsetzt. Die Bildfindung ist zweifelsohne aufwendig. Teilweise wirkt sie aber auch zu konstruiert, wenn sich Licht oder Wasser zum wiederholten Mal in den Scheiben spiegelt oder rote Kleider und rote Vorhänge durchs Bild wehen. Der Rhythmus ist elegisch und die Geschichte, die nicht sonderlich neuartig und vielschichtig ist, episodisch erzählt. Die Leerstellen, die dadurch entstehen, tragen aber zu einer sinnlichen Stimmung bei.

Es ist gar nicht notwendig, genau zwischen die Zeilen zu schauen, um die sozialpolitische Kritik in diesem Film zu finden. Es geht um Korruption in einer jungen kapitalistischen Marktwirtschaft und allgemein um materialistische Werte, die als erstrebenswert gelten. Da kann es vorkommen, dass die Menschen sich in einem Hamsterrad verlieren, das sie auszulaugen droht. Eine Straffung des Stoffes wäre wünschenswert gewesen, da diese dem Film eine grössere Ausdruckskraft gegeben hätte. Darüber hinaus beeindruckt vor allem die schauspielerische Leistung von Lee Kang-Sheng in der männlichen Hauptrolle, der Hartnäckigkeit und Verletzlichkeit zugleich transportiert.

3 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.

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