Critique29. Dezember 2020

Netflix-Kritik «The Midnight Sky»: Der Letzte macht das Licht aus

Netflix-Kritik «The Midnight Sky»: Der Letzte macht das Licht aus

George Clooneys postapokalyptischer Film erzählt von einem Wissenschaftler, der versucht, nach Hause zurückkehrende Astronauten zu warnen. Denn auf der Erde ist kein Leben mehr möglich. Sie reisen in ihr Verderben. Ein ruhiger, aber schöner, von grosser Elegie getragener Film, der technisch hervorragend aussieht und von grandioser Musik getragen wird.

Serienkritik von Peter Osteried

George Clooney hat mit der Verfilmung des Romans «Good Morning, Midnight» von Lily Brooks-Dalton ein ambitioniertes Projekt umgesetzt, das sich der typischen Einordnung zwar nicht entzieht, aber so erzählt ist, dass sicherlich nicht jeder Zuschauer abgeholt wird. Es die Postapokalypse, es ist das Ende der Welt, aber nicht als Actionfilm, sondern als elegisches Klagelied auf eine Spezies, die im Lauf ihrer Geschichte besser hätte sein können.

Drei Wochen nach einem verheerenden Ereignis, dem die Menschheit zum Opfer gefallen ist, versucht ein Wissenschaftler von einer Station am Nordpol aus, das Raumschiff Aether zu erreichen, das von einer Erkundungsmission zu einem bewohnbaren Planeten zurückkommt. Er will die Astronauten warnen, dass es auf der Erde nicht mehr sicher ist. Aber die Kommunikation ist schwierig und auch an Bord des Raumschiffs spielen sich Tragödien ab. Das letzte Aufbäumen der Menschheit hat begonnen.

Clooney spielt subtil, und sagt damit doch mehr aus, als jedes Wort es könnte.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

«The Midnight Sky» ist eine ruhig erzählte Geschichte. Eine vom Traum, das menschliche Dasein hinaus ins All zu bringen, aber auch von der Tragödie, kurz vor dem Ziel auf globaler Linie zu scheitern. Über weite Strecken wird der Film vor allem von Clooney selbst getragen, der als letzter Wissenschaftler auf der Station noch eine Aufgabe zu vollführen hat, wohlwissend, dass es am Ergebnis ultimativ nichts ändern wird. Das macht seine Figur zu einer besonders tragischen. Den Schmerz über den Verlust – auf persönlicher, aber auch grösserer Ebene – sieht man Clooneys Augen an. Er spielt subtil, und sagt damit doch mehr aus, als jedes Wort es könnte. Seine Geschichte ist die interessantere, wird aber immer wieder mit der der Astronauten auf dem Weg zurück zur Erde abgewechselt.

The Midnight Sky endet, wie er enden muss. Mit aller Konsequenz, ohne ein falsches Zeichen der Hoffnung, ohne auf das Hollywoodtypische Happy End zu setzen.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

In beiden erzählerischen Ebenen werden kurze Momente der Action und der Spannung aufgeboten, sie fühlen sich aber eigentlich wie Fremdkörper an. Weil dies nicht die Geschichte ist, bei der man solche Sperenzchen benötigen würde. Es nimmt sogar ein wenig von der Kontemplation der Geschichte weg. Weil es vor allem das Betrachten des Endes ist, das hier so stark wirkt. Man fühlt sich an einen anderen Film, der vom Ende der Welt erzählt, erinnert: «The Road». Auch eine Romanverfilmung, auch schmerzhaft ruhig, auch bis zu einem gewissen Grad deprimierend.

The Midnight Sky endet, wie er enden muss. Mit aller Konsequenz, ohne ein falsches Zeichen der Hoffnung, ohne auf das Hollywoodtypische Happy End zu setzen. Die Nacht ist über die Menschheit gefallen, der letzte Tango hat begonnen. Das Ende ist da.

3.5 von 5 ★

«The Midnight Sky» ist auf Netflix verfügbar.

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