Kritik12. November 2020

Sky-Kritik «Lovecraft Country»: Von Monstern und Menschen

Sky-Kritik «Lovecraft Country»: Von Monstern und Menschen
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Einen Horrortipp der besonderen Art. Wir reisen zurück in die 50er-Jahre, wo die schrecklichsten Monster nicht fantastische Kreaturen, sondern rassistische Menschen sind.

Filmkritik von Gaby Tscharner

Atticus «Tic» Freeman (Jonathan Majors) ist ein Veteran des Koreakriegs. Tic kehrt in die USA zurück, nachdem er eine mysteriöse Nachricht von seinem Vater Montrose (Michael Kenneth Williams) erhalten hat, der seither als vermisst gilt. Zusammen mit seinem Onkel George (Courtney B. Vance), der eine Art Green Book Travelguide mit Tipps für schwarze Reisende publiziert, und mit der beherzten Nachbarin Leti (Jurnee Smollett) macht sich Tic zu einem Roadtrip auf, um seinen Vater zu finden. Die Reise führt sie von Chicago nach Arkham, Massachusetts, einer Hochburg der übernatürlichen Begebenheiten, wo sie einen Kult von weissen Zauberern antreffen. Deren mysteriöse Anführerin Christina Braithwhite (Abbey Lee) scheint schon auf Atticus gewartet zu haben, denn dieser ist für ihre Pläne der Weltdominanz unerlässlich.

Für die schwarze Bevölkerung war das Leben in Amerika schon immer eine Horror Story.– Cineman-Filmkritikerin Gaby Tscharner

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«Lovecraft Country» ist die Art von sozialkritischem Horror-Film, den wir von Jordan Peels Filmen wie «Get Out» oder «Us» kennen. Peel gehört dann auch zu den Produzenten der TV-Serie, der mit J.J. Abrams (Lost) und der Autorin und Showrunnerin Misha Green, die mit der Serie «Underground» über den Freiheitskampf der Schwarzen während des amerikanischen Bürgerkriegs von sich reden machte, den Roman von Matt Ruff meisterhaft und opulent zu einem visuellen Spektakel adaptierten.

Ihren Namen kriegt die Serie vom Autor H.P. Lovecraft, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bücher schrieb, die landläufig als Ursprung des Horror-Genres gelten. Lovecraft war aber auch ein überzeugter Rassist, der in seinem Buch «On the Creation of Niggers» Schwarze als «Halbmenschen» und «Bestien» beschrieb. In einer Umkehr dieser Ideologien weist «Lovecraft Country» eine grossartige Besetzung aus vorwiegend schwarzen Schauspielern auf, deren Mut und Intelligenz die Menschheit vor vieläugigen Ungeheuern mit scharfen Zähnen und Zauberern in langen Roben rettet. Der wahre Horror dieser Serie sind aber nicht die fantastischen Kreaturen. So ganz unter dem Motto: Amerika ist voll von Monstern, und einige von ihnen sind keine Menschen.

«Lovecraft Country» ist eine überraschend spannende, dramatische, zauberhafte, beunruhigende und tiefgründige Serie, die aufzeigt – für die schwarze Bevölkerung war das Leben in Amerika schon immer eine Horror Story. Die erste Folge bringt Atticus zurück in seine Heimatstadt Chicago und dort lernen wir neben Onkel George auch seine kluge Tante Hippolyta (Aunjanue Ellis) kennen, die aus Liebe für ihre Familie ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellt. Ihre Tochter Diana (Jada Harris) ist ein kreativer Vorteenager, die futuristische Comic-Bücher zeichnet. Letis Schwester Ruby (Wunmi Mosaku), eine talentierte Blues-Musikerin, wird mit einer sensationellen Performance an einer Blockparty vorgestellt. Ruby ist talentiert und klug, aber sie kann keinen guten Job finden, weil diese für weisse Mitbürger reserviert sind. Ausserdem geht Ruby das fehlende Pflichtbewusstsein ihrer Schwester Leti ganz schön auf die Nerven, was sie zu einer äusserst unzufriedenen Frau macht.

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Alle diese Figuren kriegen im Laufe der Serie ihre eigene Folge, die uns mehr über sie und ihren Kampf gegen den latenten Rassismus des Amerika der 50er-Jahre verrät, ihre Leben aber auch gekonnt in einen historischen Kontext verpackt, wie z. B. das Massaker an der schwarzen Wall Street in Tulsa, Oklahoma, das in den 20er-Jahren stattfand, oder die Existenz von Sundown Städten, in denen Schwarze nach Sonnenuntergang zum Freiwild erklärt wurden. Vergangene Schreckenstaten und noch heute existierende Missstände, wie z. B. die Polizeibrutalität gegen Afroamerikaner, werden in «Lovecraft Country» in eine Science-Fiction-Geschichte verpackt, wo Zauberei und Zeitreisen existieren und Ungeheuer die Erde bevölkern. Als wären die fantastischen Elemente eine Art Löffel voller Zucker, mit dem sich die bittere Pille des in den USA noch immer herrschenden systemischen Rassismus besser schlucken lässt.

4 von 5 ★

«Lovecraft Country» ist ab dem 13. November auf Sky Show verfügbar.

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