Kritik19. April 2022

Serien-Kritik «Hors Saison»: Wenn Eltern lieben

Serien-Kritik «Hors Saison»: Wenn Eltern lieben
© AKKA Films

Autor und Regisseur Pierre Monnard ist auf Erfolgskurs. Einen Namen machte er sich in den letzten paar Jahren mit seinem Drogendrama «Platzspitzbaby» sowie der Kriminalserie «Wilder». Bereits vier Staffeln wurden von der Geschichte über die Polizistin Rosa Wilder und ihrem Partner Manfred Kägi für das Schweizer Fernsehen produziert. Monnard, der für die ersten zwei Staffeln von «Wilder» verantwortlich war, gilt seitdem als eine Art Vater der neuesten Schweizer Serienproduktion. Auf «Wilder» folgte «Neumatt», die von Netflix gekauft wurde, jetzt geht es mit Mord und Totschlag in «Hors Saison» weiter. Wie in seiner ersten Serie «Anomalia» führt es Monnard zurück in den französischen Sprachraum.

Serienkritik von Teresa Vena

In einem Walliser Skiort wird die Leiche einer Frau gefunden. Hauptmann Sterenn Peiry (Marina Hands) aus Sion soll den Fall untersuchen. Sie kennt die Gegend sehr gut, stammt sie schliesslich aus «Les Cimes». Es wird sich allerdings herausstellen, dass es keine gute Idee war, nach drei Jahren Abwesenheit dorthin zurückzukehren, wo ihre Tochter in einer Lawine umkam. Bis die Dinge völlig ausser Kontrolle geraten, treibt ein Serienmörder in dem fast ausgestorbenen Örtchen sein Unwesen. Die Touristensaison ist zu Ende, weswegen schnell klar wird, dass der Täter oder die Täterin unter den Einheimischen zu finden sein muss.

Obwohl die Serie ziemlich plakativ und reisserisch ist, kann sie auch durch ein paar spannende Wendungen und einen zügigen Erzählrhythums überzeugen.– Cineman-Filmkritikerin Teresa Vena

Monnard arbeitet in «Hors Saison» mit ein paar Grundmotiven, die einem aus «Wilder» auffällig bekannt vorkommen: ein mehr oder weniger isolierter Bergort im Winter und bei Schnee, ein ambitioniertes Bauprojekt, das von den Unternehmern der Region verbissen vorangetrieben wird, der in diesem Zusammenhang aufkommende Verdacht auf Korruption und Mauschelei, die daraus motivierten Verbrechen, die der Vertuschung dienen, sowie die persönliche Verwicklung der Ermittlerin in den Kriminalfall. Letzteres wird auch hier auf die Spitze getrieben. Und wieder faszinieren den Autor familiäre Dynamiken und stellt er sich die Frage, wie weit man, in diesem Fall als Eltern, bereit zu gehen ist, um die Menschen zu schützen, die man liebt

Marina Hands und Sofiane Zermani als Ermittlerduo © AKKA Films

Dabei ist alles bitterer Ernst. Von Anfang bis Ende setzt Marina Hands, französische Schauspielerin, verpflichtet an der Comédie française, ein gequältes Gesicht auf, besonders viel Spielraum für das Anlegen ihrer Figur steht ihr nicht zur Verfügung. An Humor oder Ironie fehlt es in «Hors Saison» fast gänzlich, sieht man vom Pathologen ab, der als langhaariger Alternativer gezeichnet ist, oder wenn der Partner der Ermittlerin erklärt, dass er mit Lutschern versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen – waren nicht auch bei «Wilder» Süssigkeiten als Surrogat fürs Rauchen im Spiel? Der Kontrast zwischen den beiden Ermittlern ist gut getroffen. Lyes Bouaouni (Sofiane Zermani) fungiert tatsächlich als interessanter Gegenpol zu seiner Kollegin. Gespielt wird er ebenfalls von einem französischen Darsteller – und erfolgreichem Rapper. Geschickt wird seine Nationalität, die auch die seiner Figur ist, in seinem Fall als zusätzliches Motiv in die Handlung eingebaut.

Die Protagonistin Sterenn Peiry verschafft sich einen Überblick am Tatort © AKKA Films

Weniger geschickt ist die Entscheidung, die beiden weiblichen Hauptfiguren mit zwei äusserlich doch recht ähnlichen Darstellerinnen zu besetzen. Als Unternehmerin und langjährige Freundin der Polizistin Félici Glassey tritt Anna Pieri Zuercher auf, die im Schweizer «Tatort» als Kommissarin zu sehen ist. Doch insgesamt ist die schauspielerische Leistung des Ensembles souverän. Der Sprechfluss wirkt weit natürlicher, authentischer, als er noch in den ersten Staffeln von «Wilder» war, in denen sich die Schauspieler in Berndeutsch abmühten, das sie teilweise nicht wirklich beherrschten.

Die Ermittlerin Sterenn Peiry ist auch persönlich in den Kriminalfall verwickelt © AKKA Films

Obwohl die Serie ziemlich plakativ und reisserisch ist, kann sie auch durch ein paar spannende Wendungen und einen zügigen Erzählrhythums überzeugen. Formal wie inhaltlich bestreitet sie allerdings keine neuen Wege. Das Bild, das Monnard einmal mehr von der Schweizer Bergwelt zeichnet, ist düster und krude, er bedient damit ein sich hartnäckig haltendes Klischee.

Grundsätzlich ist die Geschichte mit diesen sechs Episoden abgeschlossen. Ob es zu einer weiteren Staffel kommt, wird wohl in erster Linie von der Rezeption abhängen.

3 von 5 ★

«Hors Saison» ist seit dem 31. März auf RTS 1 und Play Suisse verfügbar.

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