Kritik15. Februar 2021

Netflix-Kritik «The Crew»: Dinosaurier gegen Erneuerin

Netflix-Kritik «The Crew»: Dinosaurier gegen Erneuerin
© Netflix

Knapp drei Jahre nach dem Ende von «Kevin Can Wait» will Kevin James sein durch «King of Queens» zementiertes Comedy-Talent mit einer neuen Sitcom unter Beweis stellen. In der Netflix-Produktion «The Crew» spielt er abermals einen Durchschnittstypen, der am liebsten eine ruhige Kugel schieben würde.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

«King of Queens» zeigte den von Kevin James verkörperten Paketzusteller Doug Heffernan regelmäßig an dessen Arbeitsplatz, legte aber deutlich mehr Gewicht auf den privaten Rahmen. Viele Episoden drehten sich vor allem um Dougs Erlebnisse mit seiner Gattin Carrie und seinem Schwiegervater Arthur. In der zehnteiligen Netflix-Sitcom «The Crew», bei der Hauptdarsteller James auch als ausführender Produzent fungierte, stellt sich die Lage etwas anders dar. Hinweise auf die persönlichen Hintergründe der Figuren werden zwar gelegentlich eingestreut. Von wenigen Ausnahmen abgesehen spielt die Serie allerdings ausschließlich in den Hallen des fiktiven NASCAR-Rennstalls Bobby Spencer Racing, für den Kevin Gibson (Kevin James) schon seit vielen Jahren als Teamchef tätig ist.

An seinem 70. Geburtstag überrascht Bobby Spencer (Bruce McGill), der Besitzer des chronisch erfolglosen Motorsportteams, seine Belegschaft mit der Ankündigung, sich nach Hawaii zurückziehen und seiner jungen Tochter Catherine (Jillian Mueller) die Zügel in die Hand zu geben. Eine Silicon-Valley-gestählte Stanford-Absolventin, die schon kurz nach ihrem Antritt deutlich macht, dass sie keinen Stein auf dem anderen lassen will. Die Konsequenz: Kevin, seine engste Vertraue, die Buchhalterin Beth (Sarah Stiles), der Rennfahrer Jake (Freddie Stroma), Ingenieur Amir (Dan Ahdoot) und Mechaniker Chuck (Gary Anthony Williams) müssen die neue Vorgesetzte in Vier-Augen-Gesprächen von sich überzeugen.

Viele Witze zielen auf offensichtliche Pointen ab.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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Konflikte entstehen in «The Crew», zumindest in den für diese Kritik gesichteten ersten fünf Folgen, fast nur aus dem Zusammenprall von Catherines neuen Ansätzen und dem Versuch der alten Garde, an ihren Strukturen und Abläufen festzuhalten. Während Bobby Spencers Tochter der Inbegriff eines analytischen, die Produktivität in den Mittelpunkt stellenden Zahlenmenschen ist, steht Kevin für die Losung «Das haben wir schon immer so gemacht. Warum sollen wir es auf einmal ändern?» Groß ist seinerseits beispielsweise die Überraschung, als Catherine den hemdsärmeligen Hauptsponsor feuert, der sie lediglich als attraktive Frau wahrnimmt und keinerlei Interesse an ernsthaften Gesprächen über die Ausweitung seines Engagements hat.

Showrunner Jeff Lowell blickt mit einem gewissen Bedauern auf den Verlust traditioneller, besonders männlich-kumpelhafter Umgangsformen, deutet aber auch an, dass manche Haltungen schlichtweg überholt sind und Veränderungen Chancen eröffnen können. Catherine, die ihre Stanford-Vergangenheit offen vor sich herträgt, wird ein ums andere Mal zur Zielscheibe des Spotts, darf allerdings einige ungeahnte Seiten offenbaren. Etwa, wenn sie Chuck mit Begeisterung in die Kunst des Tanzens einführt.

In der Figurenzeichnung, besonders bei den Nebenrollen, verlässt sich «The Crew», wie viele andere Sitcoms auch, stark auf Klischees.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Viele Witze zielen auf offensichtliche Pointen ab. Catherines Vorliebe für gesundes Essen oder Kevins fehlendes Verständnis für die Welt der sozialen Medien sind immer wieder Thema und unterstreichen die Unterschiede zwischen den Generationen. Raffiniert ist der Humor der Serie gewiss nicht. Hier und da setzen die Macher aber gelungene Akzente. Ein von Jake verpatzter Dreh für einen Werbespot sorgt ebenso für Lacher wie Kevins missglückte Entlassungsgespräche mit dem Reifenmann des Teams.

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In der Figurenzeichnung, besonders bei den Nebenrollen, verlässt sich «The Crew», wie viele andere Sitcoms auch, stark auf Klischees. So ist Amir der von Neurosen geplagte Techniknerd und Jake der grenzdebile Schönling. Größeren Aufwand hätte Lowell nicht nur in die Entwicklung der Charaktere investieren können. Auch das NASCAR-Umfeld wirkt unter dem Strich etwas austauschbar. Wer die Szene dieses US-amerikanischen Motorsportverbandes nur vom Namen her kennt, dürfte nach der Sichtung nur wenig schlauer sein als zuvor. Gerade eine workplace comedy sollte dann doch ein bisschen mehr Stallgeruch versprühen.

2.5 von 5 ★

«The Crew» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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