Kritik3. Mai 2022

Netflix-Kritik «Silverton Siege»: Im Namen der Freiheit

Netflix-Kritik «Silverton Siege»: Im Namen der Freiheit
© Netflix

Eine Geiselnahme, die 1980 in Pretoria stattfand, nutzt Regisseur Mandlakayise W. Dube, um das Unrecht während der Apartheid in seinem Heimatland Südafrika in Erinnerung zu rufen. «Silverton Siege» ist ein thematisch wichtiger Film, wirkt manchmal aber etwas ungelenk.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

Hollywood, das historische Geschehnisse gerne in mutmachende Freiheit und Menschenwürde hochhaltende Storys verpackt, hat in diesem Fall seine Finger nicht im Spiel. Dubes zweite Regiearbeit ist eine südafrikanische Produktion, was man nur begrüssen kann. Immerhin bekommen Afrikaner nach wie vor viel zu selten die Gelegenheit, ihre eigene Geschichte und ihre Erfahrungen in Filmen und Serien zu schildern.

Deutlich wird aber zweifellos, wie bedrückend das Leben der Schwarzen im System der Apartheid ist.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Ausgangspunkt der Handlung ist, wie in der Realität, eine geplante Sabotageaktion in einem Kraftstofflager, die Calvin Khumalo (Thabo Rametsi), Mbali Terra Mabunda (Noxolo Dlamini), Aldo Erasmus (Stefan Erasmus) und Masego (Vincent Mahlape), vier Freiheitskämpfer der Umkhonto we Sizwe («Der Speer der Nation»), im letzten Moment abblasen müssen, weil die Polizei ihnen eine Falle gestellt hat. Auf der Flucht vor Captain Johan Langerman (Arnold Vosloo) und seinen Leuten landen die vier schwarzen Aktivisten vor einer Bank in Silverton, einem Vorort von Pretoria. Als Masego bei einem Schusswechsel getötet wird, dringen seine Mitstreiter in das Geldinstitut ein und nehmen die dort anwesenden Angestellten und Kunden als Geiseln. Nach dem Scheitern eines freien Abzugs mit einem Hubschrauber geht es zurück ins Gebäude. Wenig später fordert Wortführer Calvin die Freilassung des in Haft sitzenden Nelson Mandela.

Mbali, Calvin und Aldo in der Bank in Silverton © Netflix

Regisseur Dube und Drehbuchautor Sabelo Mgidi halten sich in ihrer Aufarbeitung nicht strikt an die Fakten, geben den Protagonisten etwa neue Namen und fügen einige Elemente hinzu. Deutlich wird aber zweifellos, wie bedrückend das Leben der Schwarzen im System der Apartheid ist. Calvin und seine Freunde haben entschieden, dass sie für die Freiheit jeden Preis bezahlen wollen. Mit Blick auf das Figurenensemble versucht sich der in einer staubigen Optik daherkommende Film an einem Querschnitt durch die südafrikanische Gesellschaft im Jahr 1980.

Auf der Seite der Unterdrückten gibt es nicht nur Menschen, die den Freiheitskampf rückhaltlos unterstützen.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Als brennender Befürworter der vom Staat auferlegten Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung wird der rasch zur Geiselnahme hinzugezogene Brigadier (Justin Strydom) präsentiert. Ein waschechter Rassist, der dem gemässigerten, differenzierter gezeichneten Langerman die Einsatzleitung zu entziehen droht. Dass nicht alle Weissen hinter der Apartheid stehen, soll auch die Bankangestellte Christine (Elani Dekker) verdeutlichen, bei der es sich – das wirkt etwas zu konstruiert – um die Tochter eines hochrangigen Politikers handelt. Zugleich zeigen die Macher: Auf der Seite der Unterdrückten gibt es nicht nur Menschen, die den Freiheitskampf rückhaltlos unterstützen. Die Tatsache, dass sich in den Reihen der Freiheitskämpfer ein Verräter befinden muss, der die Polizei über die Operation Kraftstofflager informiert hat, dient dazu, die Spannung während des Ausharrens in der Bank zusätzlich anzuheizen. Hautfarbe, Identität und Rassismus thematisiert der Mix aus historischem Drama, Action- und Kammerspielthriller nicht zuletzt am Beispiel einer schwarzen Frau (Michelle Mosalakae), die an Albinismus leidet.

Captain Johan Langerman am Telefon in der Operationsstation © Netflix

«Silverton Siege» erzeugt in einigen Phasen enorme Intensität, schafft ein Bewusstsein für das Ausmass der Repression in der Zeit der Apartheid, greift jedoch auch mehrfach auf eher platte Mittel zurück, um seine Botschaft an den Zuschauer zu bringen. Schon der Einstieg mit einem die Situation und seine Ziele kurz zusammenfassenden Voice-over-Kommentar Calvins ist erzählerisch nicht gerade elegant. Die Dialoge haken manchmal zu offensichtlich verschiedene Stichpunkte ab. Und gelegentlich macht sich der Einfluss melodramatischer Hollywood-Mechanismen bemerkbar. Das Interesse an dem aufsehenerregenden und geschichtlich bedeutsamen Ereignis bricht dadurch nicht weg. Wohl aber bleibt am Ende ein leicht unbefriedigendes Gefühl zurück.

3 von 5 ★

«Silverton Siege» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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