Kritik22. November 2019

«Marriage Story»: Adam Driver und Scarlett Johansson in Höchstform

«Marriage Story»: Adam Driver und Scarlett Johansson in Höchstform
© Netflix

Noah Baumbach kitzelt in dieser Charakterstudie über eine Beziehung, die nicht gerettet werden kann, schauspielerische Höchstleistungen aus Adam Driver und Scarlett Johansson heraus.

Kritik von Gaby Tscharner

Charlie (Adam Driver) und Nicole Barber (Scarlett Johansson) sind ein verheiratetes Ehepaar, Eltern des 8-jährigen Henry (Azhy Robertson) sowie Regisseur und Schauspielerin, das jedoch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Sie haben sich in New York mit ihrer eigenen Avantgarde-Theatertruppe ein gemeinsames Leben und eine Karriere aufgebaut, für die aber vor allem Charlie die Lorbeeren erntet. Nicole will zurück nach L.A., wo sie als junge Schauspielerin Erfolg hatte. Ein Umzug, den ihre Ehe nicht überlebt.

Im Zeitalter des conscious uncoupling, dem sich bewusst voneinander abkoppeln, wie Gwyneth Paltrow und Chris Martin ihre Trennung vor ein paar Jahren nannten, wirkt ein Film über eine junge Frau, die für ihren kontrollierenden Ehemann ihre Karriere aufgibt, eher antiquiert. Als Künstler sind Charlie und Nicole mutig, modern und progressiv, aber zu Hause leben sie wie in einer Sitcom aus den 50er-Jahren. Sie ist die liebevolle Mutter, die sich fürsorglich um ihren Sohn kümmert und ihrem Ehemann alle ihre guten Ideen zuspielt, ohne dafür Dank oder Ruhm einzustecken.

Charlies und Nicoles Ehe erinnert an eine Sitcom aus den 50er-Jahren.– Cineman-Filmkritikerin Gaby Tscharner

Obwohl Nicoles ganzes Leben, ihre Familie und ihre Karriere in Los Angeles sind, lebt das Paar in New York, weil Charlie dort Theater inszenieren will. Ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner Frau schlägt er Offerten aus, an der Westküste zu arbeiten, weil ihn das Leben in Hollywood nicht reizt.

Wahrscheinlich fühlt er sich von Nicoles Erfolg auch etwas bedroht. Als sie eine Hauptrolle in einer TV-Serie angeboten bekommt, macht Charlie, vor laufender Bildröhre sitzend, die abfällige Bemerkung: „Ich schau nie fern.“

Ist die Beziehung in «Marriage Story» eine zeitgemässe Ehe, wie sie von Millennials heute gelebt wird? Wer weiss. Vielleicht verarbeitet Autor und Regisseur Noah Baumbach einmal mehr die Scheidung seiner Eltern wie in «The Squid and the Whale» oder gar seine eigene von der Schauspielerin Jennifer Jason Leigh vor ein paar Jahren. Gefühle sind jedoch zeitlos. Genauso wie Mütter, die sich in ihrer Rolle als Beschützerin von Kindern und Ehemännern verlieren und Männer, die nicht realisieren, dass der Partner an ihrer Seite leidet.

Adam Driver und Scarlett Johansson ziehen alle Register.– Cineman-Filmkritikerin Gaby Tscharner

Der Film lebt von den superben schauspielerischen Leistungen seiner Darsteller. Alan Alda spielt einen gutmütigen Vaterersatz von einem Anwalt, der Charlie zweifelhaften Rat gibt und darauf prompt durch ein kaltblütiges Schlitzohr (Ray Liotta) ersetzt wird. Beide liefern sich einen unerbittlichen Kampf mit Nicoles Powerfrau von einer Verteidigerin (Laura Dern) und sorgen für grossartiges Kino.

Adam Driver und Scarlett Johansson ziehen alle Register, sind einmal verletzlich und ein andermal verletzend, und das oft in ein- und derselben Szene. Vielleicht hat «Marriage Story» nur wenig mit einer modernen Partnerschaft zu tun, aber wenn Charlie am Ende des Films in einer Bar eine herzzerreissende Version von „Being Alive“ aus dem Musical «Company» singt, ist einem das egal.

3.5 von 5 ★

«Marriage Story» ist ab sofort im Kino zu sehen und ab dem 6. Dezember auf Netflix verfügbar.

Ist dieser Artikel lesenswert?


Kommentare 0

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung