Kritik18. Januar 2021

DisneyPlus-Kritik «WandaVision»: Marvel einmal anders

DisneyPlus-Kritik «WandaVision»: Marvel einmal anders
© Disney+

Im Kino gab es, bedingt durch die Corona-Pandemie, schon länger keine Marvel-Stoffe mehr zu sehen. Auf Disney+ ist nun allerdings für Nachschub gesorgt: Mit «WandaVision» startet eine neunteilige Serie, die erfrischend neue Wege geht und Fans des Marvel Cinematic Universe gewaltig überraschen dürfte.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Keine Frage, das Marvel-Leinwandgrossprojekt hat neue Massstäbe gesetzt und mehrere ungemein unterhaltsame Spektakelstreifen hervorgebracht. Variation und Originalität blieben aber zunehmend auf der Strecke. Dass aus diesem Erzählkosmos noch immer Unerwartetes und Kreatives kommen kann, beweist die unkonventionelle, von Jac Schaeffer (Drehbuchmitautorin von «Captain Marvel») konzipierte Serie «WandaVision», die sich auf die beiden aus dem MCU bekannten Superhelden Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) konzentriert. Zwei Figuren, denen in den letzten Kinofilmen schreckliche Dinge widerfahren sind.

Während der Android Vision in «Avengers: Infinity War» von Bösewicht Thanos getötet wurde, musste Wanda nach ihrer Wiederbelebung in «Avengers: Endgame» nicht nur seinen Tod, sondern auch das Ableben ihrer engen Vertrauten Tony Stark alias Iron Man und Natasha Romanoff alias Black Widow verkraften. Auf sich allein gestellt, blieben ihre weiteren Pläne offen.

Die neue Marvel-Serie, die nach den dramatischen Ereignissen des Avengers-Finale spielt, schlägt eine verblüffende Richtung ein und wirft gleich zu Beginn viele Fragen auf.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

© Disney+

Die neue Marvel-Serie auf Disney+, die nach den dramatischen Ereignissen des Avengers-Finale spielt, schlägt eine verblüffende Richtung ein und wirft gleich zu Beginn viele Fragen auf. Wanda und Vision, der plötzlich wieder unter den Lebenden weilt, ziehen in der ersten Folge als frischverheiratetes Paar in eine schmucke Vorstadtsiedlung und wollen sich dort so schnell wie möglich eingliedern. Im Weg stehen ihnen dabei jedoch ihre Superkräfte, die sich nur schwer verbergen lassen. Kurios ist vor allem die Tatsache, dass die beiden offenbar Protagonisten einer Sitcom sind. Ihr Alltag folgt den Gesetzen dieses Fernsehgenres, das sich nicht zuletzt durch Lacher aus dem Off auszeichnet.

Zum Auftakt befinden wir uns in einer schwarz-weiss gefilmten Fünfziger-Jahre-Welt, die in ein fast quadratisches 4:3-Format eingefasst ist. Showrunnerin Schaeffer und ihre Mitstreiter lassen nichts unversucht, um einen Kosmos zu erschaffen, der sich tatsächlich wie eine Serie aus vergangenen Zeiten anfühlt. Männer gehen arbeiten. Frauen erledigen den Haushalt, organisieren nachbarschaftliche Events. Hier und da wird ein fiktiver Werbespot in die Handlung eingestreut. Manche Szenenwechsel erfolgen mittels Schiebeblende. Und nichts scheint wichtiger zu sein, als sich perfekt in die herausgeputzte Suburbia-Welt einzufügen. Wanda und Vision wollen normal sein, nicht kritisch beäugt werden, geraten aber natürlich wiederholt in brenzlige Situationen. Momente, die ihre Superheldenidentität zu lüften drohen.

«WandaVision» unternimmt von Folge zu Folge einen Streifzug durch die Jahrzehnte und damit auch durch die Fernsehgeschichte.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

«WandaVision» greift das klischierte Bild der idyllischen US-Vorstadt satirisch auf und lässt bereits in den für diese Kritik gesichteten Episoden eins und zwei erahnen, dass mit dem Setting irgendetwas nicht stimmt. Aufregender als die manchmal ins Leere laufenden Gags sind die Brüche, die sich in das Leben der Hauptfiguren einschleichen. An gewisse Ereignisse und Dinge können sie sich nicht erinnern. In der zweiten Folge findet Wanda einen Hubschrauber, dessen knallrote Farbe aus dem Schwarz-Weiss hervorsticht. Zudem dringt aus dem Radio eine merkwürdige Stimme zu ihr durch. Der Zuschauer blickt kurzzeitig gar auf eine Welt, die ausserhalb des Sitcom-Universums liegt.

© Disney+

Das alles mag aufgeschrieben arg verwirrend klingen. Tatsächlich regen die Metaspielereien und die in den Fernsehkosmos eindringenden Irritationen aber zum Miträtseln an. Warum befinden sich Wanda und Vision in diesem TV-Universum? Und welchen Bedrohungen sehen sie sich im weiteren Verlauf ausgesetzt? Potenzial für ein doppelbödiges, das Marvel-Muster auffrischendes Serienvergnügen ist definitiv vorhanden. Dass es auch formal reizvoll weitergehen dürfte, deutet sich am Ende der zweiten Episode an, wenn urplötzlich das Vorstadtumfeld in Farbe erstrahlt. Offenbar unternimmt «WandaVision» von Folge zu Folge einen Streifzug durch die Jahrzehnte und damit auch durch die Fernsehgeschichte. Ein gewitzter Einfall, der mit der Handlung eng verbunden sein soll. Man darf gespannt sein, auf welche Weise.

3.5 von 5 ★

«WandaVision» ist ab sofort auf Disney+ verfügbar.

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