Kritik23. März 2020

«Der Schacht»: Der geniale Sci-Fi-Thriller hat das Potential zum nächsten Netflix-Hit

«Der Schacht»: Der geniale Sci-Fi-Thriller hat das Potential zum nächsten Netflix-Hit
© Netflix

Ein Gefängnisinsasse findet sich plötzlich als Versuchskaninchen eines bizarren Experiments wieder: Im genialen spanischen Sci-Fi-Thriller «Der Schacht» auf Netflix trifft «Black Mirror» auf «Snowpiercer».

Filmkritik von Waldemar Witt

„Wie tief geht es hinab?“ Diese Frage stellt sich der Insasse Goreng, als er sich in einem Gefängnis mit schier unendlichen Etagen wiederfindet. Doch was zunächst wie eine seltsame Vollzugsanstalt wirkt, stellt sich schnell als sadistisches Experiment an Menschen heraus. Für Goreng ist klar, dass er die Regeln des Experiments gegen dieses selbst Ausspielen muss, um hier heraus zu kommen.

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Der junge Mann Goreng (Ivan Massagué) wacht plötzlich in einer Zelle ohne Fenster auf. Mit ihm zusammen sitzt lediglich ein weiterer Häftling ein, den es auch in dieses Gefängnis verschlagen hat. Es dauert allerdings nicht lange bis Goreng feststellen muss, dass es sich hier um kein übliches Gefängnis handelt. Denn die Zellen der Anstalt wurden übereinander angeordnet, während ein vertikal verlaufender Schacht die scheinbar endlos in die Tiefe gehenden Zellen miteinander verbindet.

«Der Schacht» erinnert mit seiner Prämisse an Filme wie «Snowpiercer».– Cineman-Kritiker Waldemar Witt

Durch genannten Schacht verläuft derweil das wohl nun für alle Insassen wichtigste Element ihres restlichen Lebens: eine herabschwebende Plattform voller Speisen, die jeder Zelle für exakt zwei Minuten Essen beschert. Dabei erhalten jedoch die Insassen der oberen Etagen ensprechend mehr Essen als die der unteren Stockwerke, denen zunehmend nur die kargen Reste übrig bleiben. Goreng realisiert, dass dieses Gefängnis tatsächlich ein sadistisches Experiment an Menschen ist. Doch um fliehen zu können, muss er das Experiment mit seinen eigenen Regeln schlagen.

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Sowohl gespickt mit diversen sozialkritischen Metaphern als auch blutigen Horror-Elementen, ist «Der Schacht» (Originaltitel: «El Hoyo») keinesfalls als generischer Thriller für zwischendurch abzutun. Vielmehr ist es die blosse, schnell im Zentrum der Handlung etablierte Prämisse des Films, welche das Interesse des Zuschauers direkt einfängt und als Spiegel von sozialer Ungleichheit fungiert.

So besitzt «Der Schacht» oftmals diverse Ideen, die denen bekannterer Sci-Fi-Filme wie «Snowpiercer» oder «Cube» ähneln, wobei hier vergleichsweise weniger Gewicht auf Action gelegt, sondern der Fokus sich eher auf die seelische Odyssee der Hauptfigur Goreng konzentriert.

Der Sci-Fi-Thriller bietet nebst Tiefgang auch viel Spannung.– Cineman-Kritiker Waldemar Witt

Dieser trifft während des Verlaufs der Handlung nicht nur auf diverse sehr unterschiedliche Insassen, die alle auf eigene Weise mit ihrem Leben im Schacht umgehen, sondern entwickelt sich zeitgleich mit jedem Aufeinandertreffen weiter. Nach und nach begreift sowohl Protagonist Goreng wie auch der Zuschauer den wahren Kern des mysteriösen Experiments, welches in «Der Schacht» an den Insassen durchgeführt wird.

Der spanische Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia verfolgt im Film klar das Ziel, die Abgründe des Menschen als auch die soziale Ungleichheit aufzuzeigen. In diesem Zuge dient das kafkaeske Experiment des Schachts dazu, eine extreme Variante sozialer Ungleichheit vorzuführen. Die reine Idee des Schachts selbst erweist sich dabei als äusserst passend und könnte geradezu einer Episode von «Black Mirror» entspringen.

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Eine blosse Philosophie- und Polit-Predigt müssen Zuschauer hier jedoch keineswegs befürchten. Gerade durch den Umstand, dass man sich stets auf demselben Wissenstand wie Protagonist Goreng befindet, wird mit jeder neuen Etage und jedem neuen Insassen, dem er begegnet, eine neue spannende Situation herbeigeführt. Derweil finden Dialoge mit oftmals erstaunlichem Tiefgang eine gute Abwechslung zu den actionreicheren (und oft sehr blutigen) Szenen des Films.

Gerade in der heutigen Zeit einer globalen Krise, in welcher das Thema des Zusammenhalts und der Solidarität so gross wie schon lange nicht mehr erscheint, erweist sich die Botschaft des spanischen Sci-Fi-Thrillers «Der Schacht» so wichtig wie noch nie. Mit quasi keiner einzigen langweiligen Minute lässt sich das Werk von Regisseur Galder Gaztelu-Urrutias sowohl hinsichtlich seiner diversen Symboliken und Metaphern im Detail analysieren, als auch schlichtweg als effektiver Thriller geniessen. Abgerundet mit sehr starken Darstellungen der gesamten Besetzung zählt «Der Schacht» mit Leichtigkeit zu den besten exklusiven Sci-Fi-(und wohl auch Horror)-Produktionen im Angebot von Netflix.

4.5 von 5 ★

«Der Schacht» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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