Kritik17. Februar 2024

Berlinale 2024: «Holy Week»: Zerstörerische Angst

Berlinale 2024: «Holy Week»: Zerstörerische Angst
© Berlinale | Mandragora | Shellac

Obwohl «Holy Week» um die Jahrhundertwende spielt, behandelt der Film mit den schrecklichen Folgen von Antisemitismus ein leider stets aktuelles Thema. Der rumänische Regisseur Andrei Cohn schafft es allerdings erst spät im Film, wirkliches Interesse zu wecken.

«Holy Week»: Zerstörerische Angst

Andrei Cohn | Rumänien, Schweiz | 133 Min.

Rumänien um 1900, an einem malerischen See umringt von einer hügeligen Landschaft von rauer Schönheit, liegt der Gasthof des Juden Leiba. Unabhängig von Herkunft oder Religion sind alle willkommen, doch Leiba und seine Familie werden trotz aller Offenheit immer wieder das Ziel antisemitischer Anfeindungen. Als er seinen Angestellten, einen Christen, im Streit ohne Lohn entlässt, schwört dieser ihm und seiner Familie Rache.

In den vergangenen Jahren konnten Filme aus Rumänien immer wieder auf der Berlinale überzeugen und so einige Preise einheimsen. Zuletzt gelang das dem Film «Bad Luck Banging or Loony Porn» von Radu Jude, der 2021 den Goldenen Bären gewann. Seit Mitte der Nullerjahre kann in dem osteuropäischen Land eine Filmbewegung beobachtet werden, die als Romanian New Wave nicht nur auf der Berlinale Anerkennung findet. In «Holy Week», der in Koproduktion mit der Schweiz produziert wurde, finden sich mit den minimalistischen Stilmitteln sicherlich einige Merkmale der Bewegung, den entscheidenden Unterschied macht aber die historische Positionierung um die Jahrhundertwende – doch das macht auch einen besonderen Reiz des Films aus.

«Holy Week» bietet einen interessanten Einblick in die Lebensweise und den Alltag der Menschen in Rumänien um die Jahrhundertwende und setzt eine jüdische Familie ins Zentrum, die sich täglich mit der Abwertung durch ihre Mitmenschen herumschlagen muss. Die Stammtischgespräche im kleinen Gasthof sind dabei auch für das Publikum nur schwer zu ertragen. Das liegt nicht nur daran, dass das Ziel ihrer Hasstiraden am Nebentisch sitzt oder ihnen eine Runde Wein ausschenkt, sondern auch an den unerträglich menschenverachtenden Ansichten, die hier ganz offen zur Schau gestellt werden.

Lange Zeit wird allerdings nicht wirklich klar, wohin die Handlung des Films steuert – was nicht zuletzt an den nur spärlichen Dialogen liegt. Hinzu kommt die langsame Erzählweise, die statische Kameraarbeit und ein Verzicht auf Musik, was es ebenfalls schwierig macht, die Aufmerksamkeit wirksam zu fesseln. Spannung kommt erst im letzten Drittel von «Holy Week» auf. Hier entwickelt sich der Film zu einer Charakterstudie eines Menschen, der durch permanente Ausgrenzung und Diskriminierung an den Rand des Wahnsinns getrieben wird und letztlich das, was er eigentlich schützen möchte, selbst zerstört.

3 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 74. Berlinale findest du hier.

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