Kritik20. Februar 2023

Berlinale 2023: «La Bête dans la jungle»: Die rätselhafte Fabel von gescheiterten Existenzen

Berlinale 2023: «La Bête dans la jungle»: Die rätselhafte Fabel von gescheiterten Existenzen
© Elsa Okazaki

Der Filmemacher Patric Chiha, dessen Film «La Bête dans la jungle» bei den 73. Berliner Filmfestspielen in der Sektion Panorama zu sehen ist, adaptiert die gleichnamige Kurzgeschichte von Henry James als existentialistische Fabel im Herzen eines Nachtclubs.

«La Bête dans la jungle»: Die rätselhafte Fabel von gescheiterten Existenzen

Patric Chiha | 103 Min.

Ein Text von Théo Metais

May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) haben sich vor zehn Jahren auf einem Campingplatz kennengelernt, aber John hat es vergessen. May kann sich jedoch an alles erinnern – vor allem an das Geheimnis, das er ihr anvertraut hat: Eines Tages wird ihr etwas Aussergewöhnliches passieren, das ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Als sie sich ein Jahrzehnt später in einem Club in Paris wiedertreffen, ist dieses mysteriöse Ereignis immer noch nicht eingetreten. 25 Jahre lang, von 1979 bis 2004, halten May und John gemeinsam Ausschau nach diesem Unbekannten. Am Eingang des Clubs werden sie von der Physiognomin (Béatrice Dalle, die sowohl Erzählerin als auch Protagonistin ist) beobachtet.

1903 veröffentlichte der britische Schriftsteller Henry James die Kurzgeschichte, von der sich der Wiener Filmemacher nun inspirieren liess, in einem Sammelband. Ein kurzer Roman voller Ironie, der von Entschlossenheit, der Nichtigkeit des Wartens und der ständigen Suche nach Sinn handelt. So ist John (gespielt von einem Tom Mercier mit düsterem Ausdruck) von einem prestigeträchtigen Schicksal besessen und verweigert sich allem: der Liebe, der Ehe, dem Handeln, denn es gilt, das zu würdigen, was die Vorsehung für ihn bereithält.

Versteckt im Dunkel der Pariser Nächte wird dieser Club zu einem wilden, bildhaften Wartesaal. Draussen steht die Geschwindigkeit der Geschichte im Kontrast zu ihrem unerbittlichen Stillstand: Mitterrand, die AIDS-Jahre, die Berliner Mauer und die Türme des 11. September 2001. Dann wird nichts mehr helfen, weder Mays religiöse Hingabe für Johns undurchdringliche Reise, noch ihre Geschichte, die sich nie kristallisiert; «La Bête Dans La Jungle» schmiegt sich an das Subtile und Bittere. Béatrice Dalle, die 2009 bereits in Patric Chihas «Domaine» zu sehen war, durchbricht als mystische Hohepriesterin die vierte Wand, um uns die Fabel dieser gescheiterten Leben zu erzählen. Ein Film, der zugleich mühsam, absurd, frontal, rätselhaft und faszinierend ist. Da man also versuchen muss zu leben, lasst uns leben!

4 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.

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