Kritik14. April 2023

«BEEF»: Ein Durchbruch für die asiatisch-amerikanische Community?

«BEEF»: Ein Durchbruch für die asiatisch-amerikanische Community?
© COURTESY OF NETFLIX

Kaum auf Netflix veröffentlicht, gilt die US-amerikanische Serie bereits als eine der besten, die der Streaminganbieter bisher produziert hat. Und dies völlig zu recht. «BEEF» zieht hinab in einen unerbitterlichen Kampf der Egos. «Walking Dead»-Star Steven Yeun spielt die männliche Hauptrolle in dieser mit einer fast ausschliesslich asiatisch-amerikanischen Darstellern besetzten pechschwarzen Komödie.

Artikel von Teresa Vena

Es nicht das erste Mal, dass Danny (Steven Yeun) versucht, die drei noch verpackten Kohlegrills zurückzugeben, die er im Baumarkt gekauft hat. Wieder scheitert er, weil er die Quittung nicht sofort findet und ihn der Angestellte deswegen vor allen blossstellt. Gekränkt von der herablassenden Art des besserwisserischen Unsympathen, verlässt Danny schnell den Laden und steigt in seinen Van. Beim Verlassen des Parkplatzes fährt ein anderer Wagen dicht an ihn heran und schneidet ihm den Weg ab.

Auch dieses rücksichtslose Verhalten ärgert ihn und seine Wut wächst ins Unermessliche, als er sich vom anderen Fahrer zu einem Kräftemessen herausgefordert fühlt. Die beiden liefern sich eine rasante Verfolgungsjagd durch die Vororte von Los Angeles, Danny wird abgehängt. Später findet er über das Kennzeichen des Wagens, heraus, dass Amy (Ali Wong) die Halterin ist – und will sich rächen. Doch Amy ist keine gelangweilte wohlhabende Hausfrau, wie er annimmt. Sie lässt nichts auf sich sitzen und hat vor, ihm das Leben zur Hölle zu machen.

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Der Handlung der Serie «BEEF» schaut man im ständigen Bewusstsein zu, dass bald alles mit einem grossen, brutalen Knall an die Wand fahren wird – und trotzdem kann man sich nicht abwenden. Der Anfangsmoment, dieser kleine, doch offenbar unbedeutende Konflikt zwischen den beiden Protagonisten, ist längst nicht mehr ausschlaggebend für die Spirale der Aktionen und Gegenaktionen, die das Gleichgewicht in Amys Kleinfamilie durcheinanderbringen und Dannys Handwerkbetrieb torpedieren.

Sicherlich ist es weit übertrieben, was diese beiden Menschen veranstalten, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Doch der eine oder andere Zuschauer wird sich unweigerlich in ihnen wiederfinden. Amy und Danny sind sich sehr ähnlich. Beide sind von einer grundsätzlichen Unsicherheit gequält, die aus einem schwachen Selbstbewusstsein herrührt. Sie haben sich schon als Kinder immer unter Druck gefühlt, die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen. Lob oder richtige emotionale Unterstützung haben sie nicht erfahren, als Erwachsene klammern sich an jedes noch so kleines Schulterklopfen, das sie bekommen. Sie lechzen nach Anerkennung von aussen.

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Sowohl vor als auch hinter der Kamera ist «BEEF» von fast ausschliesslich asiatisch-amerikanischen Menschen geschaffen worden. Interessant ist bereits die Tatsache, dass die Firma A24 die Serie für Netflix produziert hat. A24 hat sich in den letzten Jahren mit einigen unabhängigen Produktionen hervorgetan, in denen auch der Einbezug asiatisch-amerikanischer Filmschaffender ein Thema war. Das ist beim Migrationsdrama «Minari» von Lee Isaac Chung der Fall, indem übrigens Steven Yeun genauso wie jetzt in «BEEF» die Hauptrolle spielt. Besonders grosse Aufmerksamkeit bekam «Everything Everywhere All At Once» von Daniel Kwan und Daniel Scheinert, der zuletzt bei der Oscar-Verleihung abgeräumt hat, unter anderem mit dem Preis für den besten Spielfilm des Jahres.

Für Jahrzehnte hatten amerikanische Bürger mit asiatischen Wurzeln – nicht nur in der Kunst – kaum Sichtbarkeit in filmischen Formaten. Allenfalls wurden einzelne Figuren als exotische Charaktere benutzt, sprachen mit Akzent und waren erkennbar als Ausländer, als Aussenseiter. Doch die Realität ist eine andere. Spätestens seit weitere Generationen herangewachsen sind, die in den USA geboren wurden, die dieses Land als Heimat bezeichnen. Es ist fantastisch, zu beobachten, wie sich innerhalb nur weniger Jahre die Türen für asiatisch-amerikanische Darstellende und Schreibende geöffnet haben.

Ein Meilenstein war dabei «Crazy Rich Asians» von John M. Chu, der 2018 ein grosser Klassenschlager wurde. Die Komödie besetzt fast ausschliesslich asiatisch-amerikanische Darsteller und spielt in wohlhabenden Kreisen. Recht reisserisch vermischt er Elemente der US-amerikanischen und der asiatischen Kultur – wobei der Film in Singapur spielt und «das Asiatische» schon fast ärgerlich pauschalisiert behandelt. Trotz aller Schwächen des Films sollte es vor allem eines erreichen – dass man sich daran gewöhnt auch mal einen ganzen Film lang keine Weissen zu sehen – und diese nicht zu vermissen.

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Das ist nun auf jeden Fall auch bei «BEEF» so. Anders allerdings ist der viel differenziertere Umgang mit dem kulturellen Aspekt. Konkret bedeutet das, dass er kaum zum Thema gemacht wird. Die Charaktere sind asiatischstämmig, das verrät ihr Aussehen. Ansonsten ist ihr Verhalten, sind ihre Sehnsüchte, Wünsche, Ängste und ihre Wut ganz universell. Die Mischung aus sozialen Klassen verweist auf die verschiedenen Hintergründe der einzelnen Figuren.

Sicherlich spielt auch die eigene oder die Migration ihrer Eltern eine Rolle, doch bei weitem nicht nur. Die Serie erzählt auf Augenhöhe von der Realität der asiatisch-amerikanischen Gemeinde. Doch dass diese Haltung Teil einer Fiktion bleibt, reiben einem die Autoren auf geschickte und schon fast hinterhältige Weise in kleinen Nebensätzen dennoch unter die Nase, als eine weisse Unternehmerin Amy beispielsweise fragt, ob die übertriebene Eifersucht ihrer asiatischstämmigen Partnerin etwas «Kulturelles» sei oder Amy denn nicht wisse, wie man bei ihren Landsleuten in China Geschäfte mache. Amy war zum letzten Mal mit sechs Jahren in China zu Besuch – und die Eifersüchtige hat koreanische Wurzeln.

Abgesehen vom kulturpolitischen und sozialen relevanten Kontext, in der die Serie eingebettet ist, der von grosser Aktualität und universeller Wichtigkeit ist, handelt es sich bei «BEEF» ganz einfach um eine kurzweilige, schnell geschnittene Serie, die sorgfältig inszeniert ist und eine ganze Reihe herausragende Darstellende vereint. Die Hauptfiguren mögen die einen äusserst unsympathisch finden – sie tun auch genug, um sich unbeliebt zu machen –, doch die anderen werden dieses Gefühl der schwer definierbaren Beklemmung in der Brust wiedererkennen und entsprechend mit ihnen mitfühlen.

5 von 5 ★

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